Tradition ist wie Fisch – sie muss frisch bleiben

Zu seinem 80. Geburtstag blickt Karl Köck sen. zufrieden auf sein Lebenswerk, die Weiterentwicklung der Familiengeschichte

30.01.2019 | Stand 20.09.2023, 6:37 Uhr

Die Ilz ist das ursprüngliche Revier von Karl Köck, hier ist er aufgewachsen, hier hat er den Familienbetrieb ausgebaut. Er kennt noch die ursprüngliche Ilz vor dem Bau der Flutschutz-Mauern. Sein Fischrecht geht weit darüber hinaus, es erstreckt sich auf Teile des Inns und die Donau zwischen Kachlet und Jochenstein. −Foto: Jäger

Wer am 25. Februar Geburtstag hat, der gehört dem Sternzeichen Fisch an. Die Wahrscheinlichkeit dafür lautet eins zu zwölf, bei Karl Köck kam aber eigentlich kein anderes in Frage, damals, vor knapp 80 Jahren.

Wer in Passau "Köck" hört, der setzt fast immer den Zusatz "Fisch" davor. Die Fischbraterei Köck kennt man von Mai- und Herbstdult, vom Haferlfest und von vielen anderen Volksfesten im Umkreis und von ihrem Verkaufswagen, der jeden Freitag an ihrem Stammsitz in der Ilzstadt steht und dort, am Knotenpunkt von B 12 und B 388, gebratene Fische anbietet. Wer die liefert? Karl Köck natürlich, "viele Kunden wollen ausdrücklich unsere Süßwasserfische", erzählt seine Tochter Susanne Köck-Bammesreiter, die zum festen Inventar des Verkaufswagens gehört.

Ihr Vater ist das ganze Jahr auf der Donau unterwegs, auch jetzt im Januar. Von seinem Vater, dem Berufsfischer Hans Köck, hat er nicht nur dieses feuchte Hand-Apostelfischer seit Generationen werk gelernt, sondern auch die Kniffe dahinter. "Er hat im Winter immer gesagt: ,Steck‘ die Händ’ ins Wasser‘", erinnert sich Karl Köck und liefert auch gleich die Erklärung dafür: Bei Lufttemperaturen unter Null ist das Wasser immer wärmer.

Solche Tipps werden bei den Köcks weitergegeben von Generation an Generation, aktuell an Karl Köck jun., der seinem Vater auch nachfolgen will in einen der exklusivsten Zirkel der Stadt, die Apostelfischer. Wie wird man einer der Zwölf? Durch Geduld, weiß Karl Köck senior, der diesen Ehrentitel von seinem Vater ererbt hat, aus eigener Erfahrung: "Ich habe meinen Vater mal drauf angesprochen, da hat er gesagt: ,Wirst es schon erwarten können‘", erzählte er im Bayerischen Fernsehen, als das vor drei Jahren einen Bericht drehte über die Passauer Apostelfischer und mit Köck hinausfuhr zum Fischen.

Damit ist er aufgewachsen in der Ilzstadt und das ist seit jeher seine Leidenschaft, aber damit kann man keine Familie ernähren – dieser Umstand war ihm schon immer klar. Deshalb fing er in den 50er Jahren eine Lehre zum Automechaniker an bei Auto Leebmann, wechselte dann als Mechaniker in die Löwenbrauerei und 1960 dann zu Deutschen Post, wo er bis zum Ruhestand auch blieb, immer als Mechaniker.

Wie bei einem Nebenerwerbs-Landwirt schlug sein Herz aber immer für die Fischerei und um die auch wirtschaftlich betreiben zu können, eröffneten die Köcks schon 1960 ihre Fischbraterei. Im gleichen Jahr heirateten Karl Köck und seine Elsa (geb. Peter), eine Wirtstochter aus Eberhardsberg. Mit diesem Fachwissen im Hintergrund baute das Paar den Fischbetrieb aus und zog gemeinsam drei Kinder groß: Brigitte, Karl und Susanne. Aktuell komplettieren noch sieben Enkel und sieben Urenkel die Schar, Tendenz: steigend.

Somit macht die Familie den absolut überwiegenden Teil der 70 Gäste aus, die Karl Köck Ende Februar ins Wirtshaus nach Jacking einlädt, um dort seinen 80. Geburtstag zu feiern. Würde er noch alle seine Vereinskameraden dazubitten, dann ginge die Feier wohl Richtung x-Point-Halle: Köck ist Mitglied in der Musikgemeinschaft Grubweg, bei der Wasserwacht Ilzstadt, bei der Feuerwehr dort, beim Fischereiverein Passau-Jochenstein und natürlich bei den Apostelfischern. "Dort zahlt er natürlich eine Runde bei der nächsten Versammlung", erläutert Karl Köck junior den Geburtstagsplan seines Vaters. Er geht seinem Vater von kleinauf zur Hand und hat somit ebenso die Fischerei im Blut, er kennt sich aus mit Reusen, Zugnetzen, Gerten und anderem Gerät. Von Erträgen wie denen seiner Vorfahren kann Karl Köck jun. aber nur träumen, "die Fischerei ist um 80 Prozent zurückgegangen in den letzten Jahrzehnten." Sein Vater macht mehrere Faktoren dafür aus: den Fischräuber Kormoran, die Kraftwerke, die den Fischen das Wandern nahezu unmöglich machen ("zwischen Kachlet und Jochenstein haben wir praktisch Teichwirtschaft"), die Schiffahrt, deren Wellenschlag die Fischbrut zerstört, und

dazu die fehlenden Laichplätze, weil kaum mehr Kiesbänke vorhanden sind ("am Inn gibt’s doch bloß noch Schlamm").

Vor neun Jahren hätte er sich den ausnahmsweise mal gewünscht, wenn auch in seinem Revier, der Donau. Im Winter 2010 ging der Apostelfischer nämlich über Bord, fiel aus seiner Zille heraus ins eiskalte Wasser und hätte gerne festen Boden unter sich gehabt, zur Not sogar eine Schlammbank. Eine Stunde lang kämpfte er gegen seine vollgesogene Kleidung, gegen die Kälte und seinen störrischen Außenborder an, bis er gerettet war.

Glück gehabt. Anders als sein Großvater, der 1943 in der Donau ertrank – der kleine Karl war da vier Jahre alt. Dieses Unglück hat sich so fest ins Gedächtnis der Familie eingebrannt, dass es die Köcks gemeinsam fast minutiös erzählen können. Die Kurzversion: Köck war wie immer nahe ans Kraftwerk Kachlet gefahren, weil man dort den Fang gut putzen konnte. Dabei geriet er zu nahe an die geöffneten Schütze, das Was-Sein Opa ertrank beim Fischen in der Donau ser stürzte von oben in seine Zille, er ertrank. Seine beiden Söhne (Vater und Onkel von Karl Köck sen.) gingen auf die Suche und fanden seine Leiche zwei Tage später in der Donau unter unheimlichen Umständen, denn zweimal starb ihnen an der gleichen Stelle der Motor ab, genau am Fundort.

Ereignisse gibt es viele in der reichen Geschichte der Familie, die zu den alteingesessenen in Passau gehört. Im Stadtarchiv taucht der Name zum ersten Mal 1789 auf, doch sie geht viel weiter zurück. Die Köck-Schatztruhe mit Dokumenten in Sütterlinschrift trägt die Jahreszahl 1655. Die meiste Zeit waren sie nur in der Ilzstadt verortet, wo auch heute noch der Betrieb liegt: "Ganz wichtig, um die Tradition aufrecht zu erhalten, ist der Verkaufswagen, der jeden Freitag mit frisch gebackenen Fischen in der Ilzstadt steht", weiß Apostelfischer-Kollege Helmut Hartl sen.

Tradition. Für Karl Köck ist das nicht die Anbetung der Asche, er hat seinen Beitrag dazu geleistet, dass sie lebendig bleibt, dass ihr Feuer weitergegeben wird.