Stoneman Dolomiti: Schroff, wild und schön

08.07.2017 | Stand 21.09.2023, 1:55 Uhr
Wolfgang Krinninger

Verlangt dem Fahrer einiges ab, verspricht aber ein großes Fahrerlebnis: die Demut-Passage. −Foto: Säckler

Der Stoneman-Dolomiti im Hochpustertal ist ein außergewöhnliches Bike-Erlebnis. 115 mit Steinmanderln bestens markierte Kilometer und 4000 Höhenmeter in einer der schönsten Alpenregionen überhaupt. Und am Ende kehrt man mit einer Trophäe aus Südtirol heim, die einen nicht nur an trüben Regentagen daran erinnert, wie schön es sein kann, sich ein paar Tage nur auf ganz wenig zu beschränken: Strampeln, Schwitzen, Essen, Schlafen, Reden, Lachen, Staunen.

Ganz wichtig ist ein kleines Utensil, das Robert zum Start der Tour vor unserer Pension in Sexten allen fünf Mitradlern überreicht: eine selbst entworfene und in Handarbeit gebaute Fahrradglocke mit einem schönen hellen Ton und einem höchst angenehmen Nebeneffekt: Der gedrehte Edelstahldeckel lässt sich im Handumdrehen abschrauben und dient dann als wohlproportioniertes Gefäß für den Gipfelschnaps. Neben der grandiosen Aussicht eine zweite kleine Belohnung für die Krämpfe und Kämpfe bei der jeweiligen Auffahrt. Und wo könnte man besser aufs Leben anstoßen als hoch droben auf einem Gipfel im Alpenparadies Südtirol.

Von Juni bis Oktober ist der Stoneman befahrbar. "Traillastig, schroff und wild! Seid bereit, ein Abenteuer zu erleben! Seid bereit, eure Grenzen zu erreichen! Trittsicherheit erforderlich", sagt die Werbung. Und sie lügt nicht. Aber sie übertreibt ein bisschen. Denn das Bergraderlebnis fordert einem zwar einiges ab, aber es ist für jeden einigermaßen konditionell und fahrtechnisch standhaften Biker machbar. Zumindest in der Drei-Tage-Variante mit Basislager in Sexten, die wir gewählt haben und wofür es die Trophäe in Bronze gibt.

Sie ahnen es schon, wofür es die Steinskulptur in Silber und Gold gibt? Genau: Für alle, die die Runde in zwei Tagen oder gar an einem Tag packen. Es gibt übrigens ein paar Verrückte, die gleich mehrmals im Jahr die Runde an einem Tag meistern.

Ausgedacht hat sich das Ganze ein absoluter Mountainbike-Profi. Roland Stauder hatte so ziemlich jeden Pokal mitgenommen, den es auf dem Geländerad zu gewinnen gibt. Damit ihm nach seinem Karriereende nicht langweilig wurde, suchte er die schönsten Wege in seiner Heimat, dem UNESCO-Weltnaturerbe Sextner Dolomiten, zusammen und verband sie zu einem einzigartigen Trail – und das mit der gleichen Konsequenz und Ausdauer, mit der er seinen Sport ausübte.

Auch das Prinzip, um an die Stoneman-Trophäe zu kommen, überzeugt: Unterwegs erreichen die Biker fünf Stempelstellen, an denen sie mit einer hinterlegten Zange ein Armband knipsen und so die absolvierte Strecke belegen. Marathon-untypisch gibt es dabei keine Zeitnahme.

An vier verschiedenen Orten kann man in den Stoneman-Trail einsteigen und das Startpaket mit Stempelarmband, Karte und Höhenprofil erwerben. Hervorragend ist die Wegmarkierung mittels Steinmanderl. Man kann getrost auf GPS und Karte verzichten und sich ganz auf die grandiose Landschaft der Dolomiten einlassen – wenn der hyperventilierende Körper das zulässt. Überwiegend bewegt man sich auf Südtiroler Boden – mit Abstechern nach Österreich und ins angrenzende Veneto. Und eben weil es in dieser Region so schön ist, würde ich jedem die Drei-Tage-Variante mit täglicher Rückkehr zum Ausgangsort oder die Zwei-Tage-Tour mit Übernachtung auf der Sillianer Hütte empfehlen. Die Bergwelt ist viel zu grandios, als dass man sie geduckt und im Renntempo durcheilen dürfte. Höhepunkte sind die alte Militärstraße zum Markinkele (2545 Meter), der extrem steile Anstieg zur Sillianer Hütte (2447 Meter), die abenteuerliche und fordernde Demut-Passage, der Kreuzbergsattel und die Rotwandwiesen.

Angeblich soll es schon Biker gegeben haben, die sich nach der Tour das Stoneman-Logo auf den Körper tätowieren lassen wollten. Aber eigentlich braucht’s das gar nicht. Eine Tour, die mit so viel Naturschönheit, Gastfreundschaft, gutem Essen, Fahrerlebnis und mindestens fünf Gipfelschnäpsen gesegnet ist, prägt sich ganz ohne Nadel fest in die Erinnerung ein. Und zur Not reicht ja ein Blick auf die Trophäe im Regal – sofort ist sie wieder da, die Lust zum Aufbruch, in den Süden und hoch hinaus.
Wolfgang Krinninger arbeitet als Journalist in Passau und ist ein passionierter Mountainbiker.