Stefan Hunstein in der Städtischen Galerie
Schrecklich poetisch: Ausstellung "Im Eis" in Traunstein

14.12.2021 | Stand 21.09.2023, 4:04 Uhr
Axel Effner

"Im Eis 7" nennt sich dieses Motiv, das in der Fotoausstellung in der Städtischen Galerie in Traunstein gezeigt wird. −Fotos: Axel Effner

Seit der Romantik üben die Gletscher und arktischen Zonen eine unwiderstehliche magische Anziehungskraft auf Forschungsreisende, Schriftsteller und Künstler aus. Mit dem Gemälde "Das Eismeer", das ein unter monumental sich auftürmenden Eisschollen begrabenes Schiff zeigt, hat der Maler Caspar David Fried-rich dieser menschenfeindlichen Region ein Denkmal gesetzt. Der Suche nach Selbsterkenntnis und Abenteuer im Eismeer spürt Christoph Ransmayer in seinem Roman "Die Schrecken des Eises und der Finsternis" nach. Beides sind Inspirationsquellen für Stefan Hunstein.

Der Schauspieler und Fotokünstler aus München bereiste 2012 und 2014 die Polarregionen. Zu Fuß, per Schiff und mit dem Helikopter war er unterwegs, um mit der Kamera Bilder einzufangen, die unter die Haut gehen. Sein Fotozyklus "Im Eis" ist nach München, Hamburg und Bonn jetzt in der Städtischen Galerie in Traunstein zu sehen.

Als Schauspieler hat Hunstein auf bedeutenden Bühnen in Wien, Zürich, München, Berlin oder Bochum die Seelentiefe vielschichtiger und komplizierter Charaktere ausgeleuchtet. Ähnlich nähert er sich den imposanten Szenarien am Nordpol und in Grönland, die Traumbilder voller Poesie, aber auch tiefgründigem Schrecken widerspiegeln. Hunstein durchbricht gängige Klischees über die Polarregion.

Das Meer erscheint wie ein öliger Teppich, Gletscher wirken wie die schmutzig-graue Oberfläche eines fernen Planeten und die bizarre Architektur der Eisriesen lässt Assoziationen an Felswände aufsteigen. Horizontlinien zwischen Eis und Himmel lösen sich in diffusem Nichts auf. Eisschollen scheinen wie erstarrte Lebewesen in einer Ursuppe zu schweben. Risse im Eis zeichnen grafische Muster einer berührenden Naturästhetik. Lichtspiele und Wolkentürme schaffen Dramatik, die Auge und Gemüt fesselt.

Hunstein gelingt so das Kunststück, die Aggregatzustände von Wasser und Luft durch eine spezielle Art von Lichtmalerei mit den Mitteln der Fotografie ins Fließen zu bringen. Was den Eindruck noch verstärkt ist ein spezielles Druckverfahren, mit dem die Fotografien ohne Qualitätsverlust tonwertreich auf Glas aufgebracht werden.

Vielleicht liegt es daran, dass Hunstein der Fotografie als Medium erst einmal zutiefst misstraut. In seinem "Ersten fotografischen Manifest" von 1991 schrieb er: "Das Foto raubt den Dingen ihre eigene Sprache. Es sagt triumphierend, was sie sind." In seinem Fotozyklus "Im Eis" beschreitet Hunstein den umgekehrten Weg. Der menschliche Faktor, sowohl als Subjekt wie auch als Objekt, kommt bis auf seltene Ausnahmen in den Bildern nicht vor. Der Standpunkt des Fotografen, die Maßstäblichkeit des Gezeigten sowie die Struktur und Beschaffenheit des Abgebildeten bleiben in den meisten Beispielen unklar. Dadurch eröffnen sich gedanklich und gestalterisch Freiräume, um die Natur selbst zum Schöpfer von Ästhetik werden zu lassen.

Indem sich Hunstein als Künstler bewusst zurücknimmt, macht er sich zum Zeugen von etwas Bedeutendem, das über die eigene Persönlichkeit hinausreicht. Die Grenzen zwischen Realität und Traum, Außen- und Innenwelt verschwimmen. Das Betrachten der Fotos lädt ein zur Reise ins eigene Innere.

Axel Effner



•Bis 9. Januar in der Städtischen Galerie Traunstein im Kulturforum Klosterkirche, Ludwigstraße 10-12, geöffnet Mi. bis Fr. 11 bis 17 Uhr, Sa. und So 13 bis 18 Uhr

•Zutritt für Genesene und Geimpft plus negativer Covid-Test