Scharfe Schüsse aus Pullman City

Geschäftsführer Claus Six kritisiert die Unzuverlässigkeit der Politiker – "Es geht um Existenzen"

03.02.2021 | Stand 21.09.2023, 0:09 Uhr

Mit besorgter Miene berichtet Claus Six (r.) über die Situation des Freizeitparks in Eging. Sein Geschäftspartner Ernst Grünberger pflichtet ihm bei: "Wir brauchen Aussagen, auf die man sich verlassen kann", sagen sie. Das Bild entstand im September 2017 bei einer Präsentation der Westernstadt. Im April werden es zehn Jahre, dass fünf Gesellschafter aus der Region das insolvente Unternehmen übernahmen. −Foto: Rücker

Eging am See. Claus Six redet nicht gern um den heißen Brei herum. Der (imaginäre) Colt sitzt bei ihm locker, der 55-Jährige schießt schnell. Natürlich nicht mit Munition, sondern mit scharfen Worten. "Die Politiker sind sowas von unzuverlässig. Morgen gilt schon nicht mehr, was heute versprochen wurde", regt sich Claus Six, Geschäftsführer und Gesellschafter der Westernstadt Pullman City, auf.

Six sitzt mit seinem Kollegen Ernst Grünberger (51) allein im riesigen Saloon der Westernstadt. Hier pulsiert normalerweise das Leben. 400000 bis 450000 Besucher hat man im Jahr. 150 Mitarbeiter kümmern sich um die Gastronomie, die Shows, die Tiere und den Betrieb, in der Spitze helfen Studenten und Saisonkräfte. Seit der Übernahme der insolventen Westernstadt vor zehn Jahren wurden Millionen investiert.

"Und nun das zweite Mal der Lockdown", sagt Six. Er hat sich der Anweisung gebeugt, auch wenn er überzeugt ist, dass der Freizeitpark mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept hätte weiterbetrieben werden können. "Es geht nicht darum, dass wir Geld scheffeln wollen. Es geht um den Erhalt des Unternehmens. Es geht darum, dass 150 Menschen hier ihren Lebensunterhalt verdienen. Die brauchen eine Perspektive für ihr Leben. Es geht um Existenzen."

Claus Six rückt den Stuhl näher an den kleinen runden Tisch. Er legt die Ellbogen ab, nimmt die rechte Hand in die linke. "Und in einer solchen Situation fährt die Politik mit uns Achterbahn." Die Bundespolitiker – namentlich nennt er Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Kanzleramtsminister Helge Braun – hätten in die Kameras versprochen, dass die Unternehmen, die wie Pullman City auf staatliche Anweisung hätten schließen müssen, mit 75 Prozent des Umsatzes entschädigt werden. "Darauf haben wir uns verlassen", sagt Claus Six fest und schaut seinen Partner an. Der nickt.

Um das Prozedere kümmert sich der Steuerberater. Dieser übermittelt die Zahlen. Monate später sei das Versprechen immer noch nicht eingelöst worden. 50000 Euro als Abschlagszahlung seien angekommen. "Dabei brauchen wir allein für den Stall mit den Tieren im Monat 35000 Euro", erzählt Grünberger. Dass Deutschland daran scheitere, zugesagte Hilfen schnell auszuzahlen, stehe auf einem anderen Blatt, merkt Claus Six an, "doch jetzt kommt der Skandal, der politische Betrug: Klammheimlich wurden Mitte voriger Woche die Rahmenbedingungen für diese Entschädigung geändert".

Die Zusage, dass 75 Prozent des Umsatzes erstattet werden, sei für größere Unternehmen plötzlich dahin gewesen, rechnet Six vor. Denn die Entschädigung sei auf 800000 Euro gedeckelt worden (zusammengepackt wurden Soforthilfe, Überbrückungshilfe1, November- und Dezemberhilfe und sogar KfW-Kredite). Pullman City würde aber deutlich darüber liegen. "Mein Vertrauen in die Politik ist komplett verlorengegangen", sagt Six. "Ein solches Hin und Her dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen. Wissen denn die Politiker da oben nicht, was an der Basis passiert?"

Claus Six griff zum Telefon, rief einen regionalen Politiker nach dem anderen an – den Landrat, den Alt-Landrat, die Bundestags- und Landtagsabgeordneten, dann Kollegen und Verbandsvertreter. "Von uns erwartet man beim Zahlen von Steuern Verlässlichkeit. Aber sie selbst halten nicht, was sie versprechen", schimpft Six und erhält Zustimmung von vielen Seiten. Man verstehe die Sorge um die Mitarbeiter und das Unternehmen an sich.

Das Telefon klingelt oft bei ihm in diesen Tagen. Plötzlich ist Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger am anderen Ende. Six erklärt ihm, "was Sache ist". Ein Politiker müsse sich bewusst sein, "dass er sein Wort halten muss". Aiwanger verspricht, sich der Sache anzunehmen, wobei Six klar macht, dass es nicht nur ihm, sondern vielen Betrieben so gehe, ob Freizeitpark oder Wellness-Hotel. Die Deckelung auf 800000 Euro Entschädigung könne den Ruin einläuten.

Claus Six war nicht der einzige, der sich über die neue Regelung mit der Deckelung beschwerte. Ende voriger Woche wurde bei der EU in Brüssel entschieden, die Deckelung bei 1,8 Millionen Euro festzulegen. Damit ist Pullman City – genaue Zahlen möchte man nicht nennen – innerhalb des Korridors und kann mit einer Entschädigung in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes (abzüglich Kurzarbeitergeld) rechnen.

Claus Six und sein Partner Ernst Grünberger legen – symbolisch, wohlgemerkt, – den Colt beiseite. "Jetzt warten wir mal ab, wann die Hilfe ausbezahlt wird."