Martin Kusejs inszeniert Schiller
Salzburger Festspiele: Maria Stuart und 30 nackte Männer

15.08.2021 | Stand 21.09.2023, 6:28 Uhr
Hannes S. Macher

Bibiana Beglau spielt Elisabeth, Königin von England. −Foto: Barbara Gindl / APA / dpa

Kernige Blasmusik im Innenhof der ehemaligen Saline von Hallein, die bereits seit Jahren als alternative Spielstätte des Sommerfestivals an der Salzach dient. Oktoberfestsound vor der Premiere der Neuinszenierung von Friedrich Schillers Drama "Maria Stuart". Nicht gerade der passende musikalische Auftakt für eine der größten Tragödien in der Weltliteratur. Denn hochdramatisch in ebenso mächtigen Bildern wie sensiblen Szenen, die ungemein berühren, mit klugen Personenarrangements und geradezu schmerzhaft harten Wortduellen ist diese Aufführung mitreißend und verstörend. F

reilich auch mit Anklängen an hehres Staatstheater inszenierte Martin Kusej, Chef des Wiener Burgtheaters und bis vor einem Jahr Intendant des Münchner Residenztheaters diese im Jahre 1800 uraufgeführte, von Schillers Idealismus beseelte Auseinandersetzung zwischen Macht und Ohnmacht, Freiheit und Willkür als überzeitlichen Thriller. Makaber und eindrucksvoll bereits die 1. Szene, in der Kusej das abgeschlagene Haupt mit langem, rotem Haar der Maria Stuart über die Bühne baumeln lässt, um auf Marias trauriges Ende hinzuweisen.

Ungemein spannend ist diese Neuinszenierung über das Aufeinandertreffen der beiden royalen Rivalinnen Maria Stuart, Königin von Schottland, und Elisabeth, Königin von England. Zu ihrer englischen Verwandten ist Maria geflohen. Doch Elisabeth bot ihr nicht nur Schutz, sondern sie befürchtete, dass Maria Ansprüche auf den englischen Thron erheben könnte, weshalb sie sie nach Intrigen der Hofkamarilla verhaften und zum Tode verurteilen ließ.

Vor allem das persönliche Gespräch zwischen Maria und Elisabeth unter der Unheil drohenden pendelnden Glühbirne in Marias Kerker ist zweifellos der Höhepunkt in dieser mitreißenden Inszenierung, wenn Bibiana Beglau als Elisabeth deren Verlegenheit durch arrogant-herrisches Auftreten zu übertünchen versucht, während Birgit Minichmayr grandios die physisch und psychisch restlos gebrochene Maria verkörpert, bevor sie zum Schafott geführt wird. Eine ergreifende Szene,, die beim Publikum kalten Schauer erzeugt. Dazu nicht minder eindrucksvoll all die Intriganten, Speichellecker und Opportunisten. Glänzend vor allem Franz Pätzold als Elisabeths Gefolgsmann und zugleich Marias Geliebter Mortimer, Norman Hacker als schmieriger Baron von Burleigh, der Überbringer der Todesnachricht, und Oliver Nägele als Graf von Shrewsbury, der von Marias Unschuld überzeugt ist.

Warum Martin Kusej freilich in Annette Murschetz` klaustrophobischem Bühnenbild in Maria Stuarts Verlies durchgängig 30 nackte Männer diversen Alters und unterschiedlicher Körperattraktivität breitbeinig in starrer Ringerpose und in wechselnden Formationen das Geschehen begleiten lässt, ist zwar ein eindrucksvoller Regiegag, aber nicht besonders ästhetisch. Soll diese Nudistencommunity , abwechselnd in Rücken- und Vordersicht ihrer entblößten Leiber, Elisabeths Hofstaat reflektieren oder sind`s symbolisch die um ihre Menschenwürde beraubten Mitgefangenen in Maria Stuarts Gefängnis. Doch vermutlich will Kusej mit dieser splitternackten Männerriege die Dominanz der Machomänner aufzeigen, die selbst vor Königinnen nicht halt macht. Der Interpretationen mag es viele geben, aber die Schlussszene ist abermals grandios: Im weißen Kleid, vom Bühnennebel eingehüllt, setzt Maria engelsgleich zart und leise zu ihrem letzten Monolog an, wobei Elisabeth im feuerrotem Kleid anschließend schmerzlich erkennen muss, dass sie in ihrem Urteil den falschen Zeugen gefolgt ist. Wie im Trauma summt Elisabeth nun die Königshymne, während die gelähmte Männerhorde sich langsam erhebt und einer nach dem anderen feige im Dunkeln verschwindet. Ein Bild, das durch Mark und Knochen geht.

Mit fast drei Stunden Dauer auf den harten Bänken des ausrangierten Salinengebäudes auf der Perner-Insel in Hallein ist diese letzte Schauspielinszenierung der Salzburger Festspiele zwar anstrengend, aber ein faszinierendes Theaterereignis. Tosender Schlussapplaus des Premierenpublikums für alle Beteiligten, vor allem für die großartigen Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau.

Hannes S. Macher

Wieder am 18.,20., 22., 23., 25., 26. August, Karten: 0043/6628045500