Deching/Gosting
PNP-Serie zu Ortsnamen: Slawisch-deutscher Mix im Grenzgebiet

18.05.2015 | Stand 18.05.2015, 6:35 Uhr

Im 12. Jahrhundert wurde der Ortsname Deching, damals als "Techingen" und "Teching", erstmals urkundlich erwähnt. − Foto: Christoph Seidl

Im Grenzgebiet zur Tschechischen Republik begegnen wir mitunter Ortsnamen, die auf einen frühen deutsch-slawischen Sprachkontakt hinweisen. Wenn sich ein solcher Name aus einem deutschen und einem slawischen Bestandteil zusammensetzt, spricht man von einem "Mischnamen".

Die ältesten dieser Mischnamen sind mit der deutschen Ableitungssilbe "ing" gebildet, spätere dann mit Grundwörtern wie "berg", "dorf" oder "reut". Bei dem slawischen Anteil handelt es sich in der Regel um einen Personennamen. Im Folgenden sollen zwei Beispiele für besonders alte, bis ins frühe Mittelalter zurückreichende Mischbildungen auf "ing" vorgestellt werden.

Der Ortsname "Deching" im Landkreis Freyung-Grafenau kommt bereits zweimal in Quellen des 12. Jahrhunderts vor. So wird im Zeitraum von 1140 bis 1160 in einer Schenkungsnotiz des Hochstifts Passau als einer von mehreren Zeugen ein "Altman" von "Techingen" erwähnt. Die nächste Nennung stammt aus der Zeit um das Jahr 1185. Sie betrifft eine Schenkung an das Passauer Kloster St. Nikola, die u. a. von einem "Fridricus" aus "Teching" bezeugt wird. Während " ing" bzw. " ingen" – so noch im Erstbeleg "Techingen" – auf althochdeutsch " ingun" zurückgeht und ursprünglich "bei den Leuten des ..." bedeutet hat, ist die Frage nach dem Bestandteil "Tech" nicht so leicht zu beantworten.

Versucht man eine Erklärung von "Tech" aus dem Deutschen zu finden, so ergeben sich Probleme. Ein entsprechendes alt- oder mittelhochdeutsches Wort ist nicht nachgewiesen.

Anders im Bereich der slawischen Sprachen. Im Alttschechischen sind die Personennamen "Těch" und "Těcha" überliefert – daneben ist auch mit der Existenz der Form "Těcho" zu rechnen (das Schriftzeichen "ě" steht für "je"). Sie gehen auf die slawische Wurzel "těch " mit der Bedeutung "Trost, Freude" zurück und konnten als "Tech" oder "Techo" ins Deutsche übernommen werden. Die ursprüngliche Bedeutung von "Techingen" ist damit mit großer Wahrscheinlichkeit als "bei den Leuten eines Slawen namens Těch, Těcha oder Těcho" zu erschließen.

Eindeutig slawischer Herkunft ist die Basis "Gost" des ing-Namens "Gosting" im Landkreis Passau. Werfen wir zunächst wieder einen Blick auf die überlieferten historischen Schreibformen. Sie können Urkunden des Passauer Klosters Niedernburg entnommen werden: Im Jahr 1285 wird ein "Dietherus" aus "Gozting" genannt, während 1308 "Albreht" von "Gozding" verzeichnet ist. Die Urkunden sind im Internet unter www.monasterium.net einsehbar, doch werden in den betreffenden Inhaltsangaben die Namenformen "Gozting" und "Gozding" irrtümlich zu den Orten Götzing bzw. Kötzting gestellt.

Spätere Nennungen aus Büchern und Urkunden des 16. Jahrhunderts zeigen dann schon die mit der heutigen Schreibung identische Form "Gosting". Doch zurück zur Erstnennung "Gozting". Der Buchstabe z ist hier nicht wie heute als ts zu verstehen.

Noch im späten Mittelalter konnte z auch für ß stehen. Dieses mit z verschriftete ß (ss) diente als deutscher Ersatzlaut für den slawischen Konsonanten s. Dementsprechend ist der slawische Personenname "Gost", der auf slawisch "gost" mit der Bedeutung "Gast" zurückgeht und im Alttschechischen als "Host" nachgewiesen ist, ins Deutsche als "Gozt (Goßt)" übernommen worden. Unser Ortsname hat also "bei den Leuten eines Slawen namens Gost" bedeutet.

Es fällt auf, dass sich die Orte im Bayerischen Wald mit Mischnamen an oder in der Nähe von alten Verkehrswegen befinden, die Bayern und Böhmen miteinander verbanden. So liegt Deching direkt am Goldenen Steig, Gosting nur unweit davon entfernt. An der Besiedlung dieses Gebiets waren also nicht etwa nur Baiern, sondern u. a. auch Slawen beteiligt, die ja die alten Handelsstraßen ebenfalls befahren haben. Ihre Namen, z. B. "Těch(a)"/"Těcho" oder "Gost", konnten jedenfalls als Basis für bairische Ortsnamen auf "ing-" verwendet werden.

Die Uni Passau untersucht seit 2007 in dem namenkundlichen Projekt ONiG die ältesten Ortsnamen im bayerisch-tschechischen Grenzraum (FRG/Prachatice). Die Projektleitung hat Prof. Dr. Rüdiger Harnisch.