Traunstein
Papiertonne wird in Teilen des Landkreises Traunstein kostenpflichtig

Erste konkrete Schreiben an Kunden

26.05.2020 | Stand 21.09.2023, 21:45 Uhr

Diffuser Markt: Viele Kunden haben Papiertonnen mehrerer Anbieter vor der Haustür, wie hier in Traunreut. Erst nachträglich haben vier Firmen die Entsorgung im Landkreis regional aufgeteilt. Zumindest zwei von ihnen planen nun eine Entsorgungsgebühr. −Foto: Reichgruber

"Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert", wetterten Kritiker im Traunsteiner Kreistag, als um 2006 herum die Pläne für die Einführung der Papiertonne vorgestellt worden waren. Die Preise für Altpapier waren derart in die Höhe geschnellt, dass private Entsorgungsbetriebe ein Holsystem etablierten. Es entwickelte sich zu einem guten Geschäft, obwohl die blauen Tonnen für die Bürger kostenlos – und entsprechend heiß begehrt – waren. In die Röhre schauten der Landkreis selbst, der zuvor allein über die Wertstoffhöfe für die Altpapierentsorgung zuständig gewesen war, und die Wohlfahrtsverbände, die mit ihren Altpapier-Straßensammlungen ihre caritativen Etats mitfinanzieren. Nun zeichnet sich eine Wende ab, die den Bürgern an den Geldbeutel geht: Zumindest in großen Teilen des Landkreises wird im Lauf des Jahres eine Gebühr für die blaue Tonne fällig werden.

Vier Unternehmen hatten sich den einst ebenso diffusen wie lukrativen "Altpapier-Markt" im Landkreis aufgeteilt: Veolia Umweltservice Süd (Trostberg) für Trostberg, Traunreut und den nördlichen Landkreis, Wallisch & Strasser (Tittmoning) für das Gebiet rund um den Waginger See und Remondis Chiemgau (Chieming) für die Chiemseeregion und den südlichen Landkreis – außer dem Bereich nahe an der A8 um Siegsdorf, Bergen und Inzell herum, wo Chiemgau-Recycling (Raubling) die Papiertonnen leert.

Seit April flattern nun Veolia-Kunden Schreiben des Betriebs ins Haus. Darin wird angekündigt, dass ab 1. Juli ein "Systementgelt" erhoben werden muss, um die Kosten zu decken und die Papiersammlung weiterhin aufrecht erhalten zu können. Für 240-Liter-Behälter sind demnach 3,50 Euro pro Leerung fällig, jährlich also 42 Euro, für den 1100-Liter-Behälter 14,20 Euro pro Leerung, das sind gut 170 Euro im Jahr.

Tonnen ohne Aufkleber werden im August abgeholtSeit 1. Mai und noch bis Ende Juni sollen sich die Veolia-Kunden online oder per kostenlosem Brief-Formular registrieren und dabei auch gleich eine Lastschrifteinzugs-Ermächtigung für das Systementgelt ausfüllen. Eine andere Bezahlform wird gar nicht erst zugelassen. Im Gegenzug erhalten die Kunden dann einen Registrierungs-Aufkleber für ihre blaue Tonne. Wer den Abholservice nicht mehr nutzen möchte, braucht nichts zu unternehmen: Behälter, die nicht mit einem Registrierungs-Aufkleber versehen sind, werden bei der Leerung im August vom Entsorgungs-Personal mitgenommen, kündigt Veolia in dem Schreiben an.

Der Trostberger Veolia-Betriebsleiter Rene Lentz hat in dem Brief um Verständnis gebeten: Man könne die Systemkosten nicht mehr über die Papiererlöse decken, zumal weltwirtschaftliche politische Entscheidungen wie Strafzölle, Einfuhrbeschränkungen und Importverbote die Preise nachhaltig negativ beeinflusst hätten. Mittelfristig sei auch angesichts der Corona-Krise keine positive Entwicklung zu erwarten.

Altpapier-Qualität spielt wichtige Rolle für Erlös

Eine Veolia-Sprecherin ergänzte telefonisch, dass auch die Altpapierqualität für den Erlös eine wichtige Rolle spiele – und da habe es erheblich gemangelt: "Wir sprechen da von Fehlwürfen. Ein gewisser Anteil etwa von Büroklammern oder verdreckten Pizzakartons ist zu verkraften, aber es landen auch immer wieder zum Beispiel Babywindeln in den blauen Tonnen. Da kann das Material dann nicht mehr aufbereitet, sondern muss verbrannt werden."

Die Heimatzeitung hat sich auch bei den anderen Entsorgern bezüglich einer Gebühr umgehört. Bei Remondis Chiemgau hieß es, man werde ein ähnlich hohes Entgelt wie Veolia einführen, vermutlich aber erst ab September. Bei Chiemgau-Recycling bleibt die Altpapier-Entsorgung für die Bürger dagegen auf absehbare Zeit kostenlos, wie Prokurist Roman Pristl versicherte. Und auch bei Wallisch & Strasser liegen nach Auskunft einer Mitarbeiterin derzeit noch keine Pläne für ein Systementgelt auf dem Tisch.

"Der Landkreis bietet den Bürgern weiterhin kostenlos an, ihr Altpapier in den Wertstoffhöfen beziehungsweise Containerplätzen zu entsorgen", so Landratsamts-Pressesprecher Michael Reithmeier gegenüber der Heimatzeitung. Der Kreistag habe sich damals mehrheitlich und bewusst für das Bringsystem und die Wertstoffhöfe entschieden. Gleichzeitig wollte sich das Gremium dem zusätzlichen Serviceangebot eines Holsystems durch die privaten Anbieter nicht verschließen.

Umbuchen oder wieder ab zum Wertstoffhof?Ab Sommer ist nun also in den Wertstoffhöfen und Sammelplätzen mit einem erhöhten Ansturm von Bürgern zu rechnen, die sich die Altpapier-Abholgebühr sparen möchten. Und zumindest in den unscharfen Grenzgebieten zwischen kostenpflichtigen und kostenfreien Anbietern sind auch Umbuchungen denkbar. Entsprechende Anfragen von Bürgern sollen bei Wallisch & Strasser und Chiemgau-Recycling angeblich schon vorliegen. "Aus Gesprächen mit anderen Anbietern im Landkreis wissen wir, dass diese die blaue Tonne weiter ohne Gebühr anbieten werden", so Reithmeier dazu. Eine festgesetzte Gebietszuteilung gebe es nicht. "Das heißt, jedem Unternehmen steht es frei, im gesamten Landkreis die Papiertonne anzubieten – auch ohne Gebühr."