Nordportugal: Wo Wanderer unter sich sind

11.08.2018 | Stand 20.09.2023, 3:05 Uhr
Andrea Neumeier

Die alte steinerne Brücke bei Ponte de Lima stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist Teil des portugiesischen Jakobswegs. − Fotos: Andrea Neumeier

Während sich Touristen in Portugal an der Algarve gegenseitig auf die Füße treten, können Urlauber in Nordportugal die Natur genießen und Mythen entdecken.



An der alten Steinmauer ist ein gelber Pfeil zu sehen. Er zeigt nach rechts, vorbei an der Schutzengelkirche, entlang der Felder voller Weinreben. Gelegentlich spenden Bäume Schatten, die am Wegesrand stehen. Alle halbe Stunde kommt ein Wanderer entgegen. Die gelben Pfeile weisen den Pilgern auf dem Jakobsweg die Richtung von Ponte de Lima nach Acroozela. Obwohl es um die 30 Grad Celsius hat, sorgt der Wind vom Atlantik dafür, dass es sich wesentlich kühler anfühlt. Sollte man über mehr als zehn Minuten lang keinen gelben Pfeil mehr sehen, ist es ratsam umzudrehen, rät der Reiseführer.

Ponte de Lima liegt im Nordwesten von Portugal, nicht weit entfernt von der Küste. Namensgebend für den Ort ist die Brücke, die aus dem 12. Jahrhundert stammt und an der der Jakobsweg endet. Denkt man an den Jakobsweg, kommt einem als erstes Spanien und Santiago de Compostela in den Sinn. Portugal wird meist ausgeblendet. Entlang der Route stehen viele Gasthäuser, die Pilger aufnehmen. Viele sind außen mit blau-weißen Fließen verziert, haben einen Innenhof, der von Weinreben und Efeu bewachsen ist. Vor einem Eingang sonnt sich ein Skorpion in der Sonne, umgeben von Rosensträuchern, Buschwindröschen, Margeriten und galizischem Kohl.

Der portugiesische Jakobsweg eignet sich vor allem für Anfänger und wenig geübte Wanderer. Mit rund 240 Kilometer gehört er zu den kürzesten Strecken. Er beginnt in Porto und führt über Ponte de Lima bis nach Santiago de Compostella. Startet der Pilgerzug bereits in Lissabon, werden bis Santiago rund 650 Kilometer zurückgelegt. Zum Vergleich: Die bekannteste Etappe des Jakobswegs, die Entertainer Hape Kerkeling für seinen Bestseller "Ich bin dann mal weg" gegangen ist, beginnt an der Grenze von Spanien zu Frankreich und ist über 800 Kilometer lang.

Urlauber zieht es in Portugal erst einmal nach Lissabon oder an die Algarve ans Meer. Nordportugal, die Region um Porto und den Nationalpark Peneda-Gerês, ist nahezu touristenleer – sogar in den Sommermonaten. Dabei gibt es dort viele Möglichkeiten sich zu entspannen, Sport zu treiben, wandern zu gehen und Kultur zu erleben. Eine Etappe des Jakobswegs führt auch am Atlantik entlang. Nicht nur Pilger sind von der Aussicht auf das Meer begeistert. Viele Spaziergänger schlendern den Weg entlang. Nach ein paar Kilometern kommen immer wieder Restaurants, die direkt am Meer liegen und bei denen landestypische Gerichte auf der Speisekarte stehen. Für Fisch- und Meeresfrüchteliebhaber bietet Portugal eine große Vielfalt an verschiedenen Speisen. Typisch für die portugiesische Küche ist das Nationalgericht – der Bacalhau, ein getrockneter und gesalzener Stockfisch, der auf verschiedene Weisen zubereitet werden kann: roh, gegrillt, gekocht. Auf der Speisekarte zu lesen sind häufig auch Suppen oder Eintöpfe. Dazu wird Broa, portugiesisches Maisbrot, gereicht.
Um Nordportugal für Touristen und Wanderer attraktiver zu gestalten, machte sich Pedro Texaira vor einem Jahr selbstständig. Der 33-Jährige Ingenieur unternimmt mit Urlaubern Expeditionen in den Geopark bei Arouca. 2009 wurde er in die Liste der Unesco Global Geoparks aufgenommen. Arouca liegt am Fuße des Geoparks und ist eine Kleinstadt mit rund 3000 Einwohnern. Das Zentrum der Stadt ist das historische Kloster, das es bereits seit dem 10. Jahrhundert gibt.
Der Jeep von Pedro Texaira ist nicht mehr der Jüngste. Doch für die Fahrt durch den Geopark, in dem es keine befestigten Straßen gibt, wäre ein neueres Modell viel zu schade. Die Fahrt ist holprig. Große Schlaglöcher durchziehen die Wege. Die meisten Pfade stammen schon aus der Römerzeit. Bröckelnde Steinmauern sind mit Moos überzogen. Immer wieder beginnt es zu regnen. "Bei schönem Wetter ist der Geopark noch viel beeindruckender", sagt Pedro Texeira.

Er kennt viele Geschichten und Legenden über den Geopark. Bereits früh faszinierte der Park die Bewohner von Arouca. Und er machte ihnen Angst. Der kleine Ort Sao Macario bekam seinen Namen durch die Legende von Macario. Sie besagt, dass der Handelsreisende nach Hause gekommen war und sich nach langer Zeit auf das Wiedersehen mit seiner Frau gefreut hatte. Als er sein Schlafzimmer betrat, glaubte er seine Frau in flagranti mit einem andern Mann im Bett zu erwischen. Aufgrund der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, dass es eigentlich seine Eltern waren, die zu Besuch waren, und erschlug beide. Als seine Frau ins Zimmer kam, wurde Macario bewusst, was er getan hatte. Von Schuldgefühlen geplagt zog er sich in den heutigen Geopark zurück, lebte auf dem Gipfel des Berges und soll nie wieder getrunken oder gegessen haben.
Nach mehrstündiger Fahrt erreicht Pedro Texaira mit dem Jeep einen Berggipfel. Im Tal ist ein kleines Dorf zu sehen. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist Drave unbewohnt und liegt auf über 600 Metern Höhe an einem Felsvorsprung der Serra Da Freita. Ein weißes Haus sticht aus den übrigen Gebäuden heraus, die aus Feldsteinen gemauert sind. Der Reiseführer erklärt, dass in dem weißen Haus der letzte Einheimische gewohnt hat. Erst 1992 sei nach Drave eine Telefonleitung gelegt worden. Gelegentlich besuchen Gruppen von Pfadfindern das "magische Dorf", wie es genannt wird. Oder Urlauber, die abseits der touristenüberlaufenen Plätze Entspannung beim Wandern suchen.

INFORMATIONEN

Nordportugal, zwischen Porto und der spanischen Grenze, eignet sich vor allem für begeisterte Wanderer. Neben dem Jakobsweg und dem Geopark bei Arouca gibt es schöne Wanderrouten durch den Nationalpark Peneda-Gerês.

ANREISEN

Nordportugal ist mit einem Inlandsflug von Lissabon aus erreichbar. Von Deutschland aus fliegen täglich Fluggesellschaften die portugiesische Hauptstadt an.

ÜBERNACHTEN
Für Familien eignet sich das Hotel "FeelViana" in Viana do Castelo. Es bietet viele Sportmöglichkeiten, wie Surfen, Schwimmen und Biken (www.hotelfeelviana.com/en). Wer hingegen lieber Zweisamkeit genießen möchte, für den eignen sich die individuelle Bauart und die familiäre Atmosphäre des Hotels "Quinta do Pomar Maior" in Arouca (www.quintadopomarmaior.com).

http://de.visitportoandnorth.travel

www.visitportugal.com

www.justcome.pt

Andrea Neumeier, Stipendiatin der PNP, reiste auf Einladung von "Visit Porto and the North" nach Nordportugal.