Neue Streaming-Serie + Trailer
Netflix macht Serienkiller zum Superstar: "Dahmer"

Die Netflix-Serie "Dahmer" spielt mit der unheimlichen Faszination für einen 17-fachen Mörder

04.10.2022 | Stand 25.10.2023, 11:50 Uhr

Der echte Jeffrey Dahmer auf einem Polizeifoto von 1991, er ist "Held" der neuen und weltweit erfolgreichen Netflix-Serie "Dahmer". −Foto: Netflix

Interviews, Fanpost, ein eigener Comic – und jetzt auch noch eine Serie. Jeffrey Dahmer wird behandelt wie ein Held. Nur, dass er keine Menschen gerettet, sondern bestialisch getötet hat. Zwischen 1978 und 1991 ermordete der Amerikaner 17 junge Männer. In einer kleinen Wohnung in Milwaukee zerstückelte er seine Opfer, fror teilweise ihre Köpfe ein und aß einzelne Körperteile.

Wahre Geschichte in Horrorfilm-Ästhetik

Der berüchtigte Serienmörder, der 1992 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt und zwei Jahre später von einem anderen Insassen umgebracht wurde, ist der Protagonist der neuen Netflix-Serie "Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer". Evan Peters, bekannt aus "American Horror Story" und "X-Men", verkörpert den titelgebenden Killer als unsicheren, schüchternen jungen Mann.



Kurz nach Veröffentlichung schoss "Dahmer" in über 90 Ländern in die Top 10 des Streaming-Dienstes. Die in einen finsteren Sepia-Filter getauchten Bilder suggerieren eine Horror-Ästhetik, nur dass hier eben keine erfundene Fantasiewelt, sondern die Realität abgebildet wird. Hinter der Serie stecken Ian Brennan und Erfolgsproduzent Ryan Murphy, der mit der Anthologie-Reihe "American Crime Story" bereits Erfahrungen im True-Crime-Genre sammelte. Eine unheimliche Faszination geht von solchen Erzählungen aus, die auf echten Verbrechen beruhen. Sie sind wie ein schlimmer Unfall, bei dem viele nicht wegsehen wollen. Immer wieder wird diesen Produktionen – seien es Filme, Serien, Bücher oder Podcasts – vorgeworfen, die Geschichten der Opfer auszuschlachten und die Angehörigen zu retraumatisieren.

Die Macher von "Dahmer" wollten es anders machen. Tatsächlich wird die Serie zumindest streckenweise aus der Perspektive der Opfer erzählt. Insbesondere die sechste Folge schildert die tragischen Ereignisse eindringlich aus Sicht des gehörlosen Tony Hughes (Rodney Burford). Die meisten von Dahmers Opfern waren schwarz, schwul und aus sozial benachteiligten Familien, die Polizei interessierte sich nicht für sie. Die zehnteilige Serie macht den strukturellen Rassismus und die Homophobie der damaligen Zeit deutlich, zeigt die erschreckenden gesellschaftlichen Umstände, die es Jeffrey Dahmer ermöglichten, jahrelang unbemerkt Menschen zu ermorden. Zudem stellt "Dahmer" die gefährlichen Mechanismen bloß, die reale Verbrecher zu zweifelhaften Pop-Ikonen macht.

Leider wird die Serie selbst Teil der fragwürdigen Entertainment-Maschinerie, die sie kritisiert. So ist bereits ein Soundtrack von Nick Cave erhältlich. Und am 7. Oktober startet auf Netflix zusätzlich eine dreiteilige Doku von Regisseur Joe Berlinger. Und so bleiben am Ende auch bei "Dahmer" nur die blutrünstigen Taten des titelgebenden Serienkillers in Erinnerung. Da hilft es wenig, alle Opfer vor den finalen Schlusscredits noch einmal namentlich mit Bild zu nennen.

Renzo Wellinger

•Kostenpflichtig abrufbar beim Streamingdienst Netflix