Album "Popmusik"
Musikkabarettist Rainald Grebe wirbt für die Aufklärung

12.02.2021 | Stand 21.09.2023, 21:13 Uhr
Esteban Engel

Rainald Grebeist Musiker, Lyriker, Autor, Kabarettist, Theatermacher und Schauspieler. −Foto: dpa

Das Album war schon aufgenommen, da gingen im Sommer 2020 in Berlin die Corona-Zweifler auf die Straße. "Der Alu-Hut, der Alu-Hut, der steht dir heute richtig gut", dichtete danach Rainald Grebe für den Song "Wissenschaft ist eine Meinung, die muss jeder sagen dürfen". Der Titel eröffnet Grebes neue Platte "Popmusik". Der Sänger macht sich dort über Querdenker lustig und wirbt für Aufklärung.



"Die Nachtigall, die Nachtigall ist das beste Pferd im Stall", singt der Dadaist unter den singenden Comedians. Der Autor von Bundesländer-Hits über Brandenburg oder Thüringen bleibt auch auf dem neuen Album seinem Witz treu. Als "Ironie der Ironie" hat ein Wissenschaftler einmal Grebes Poesie beschrieben. Grebes Programme hatten Namen wie Abschiedskonzert, Robinson-Crusoe-Konzert, Hongkongkonzert oder Münchhausenkonzert. Der Lyriker schreib Theaterstücke und den Roman "Global Fish". Gerade arbeitet er an einem Podcast über den Schriftsteller Hans Fallada.

Für das neue Album dreht der Liedermacher mit der Band Fortuna Ehrenfeld und seinem langjährigen Produzenten Martin Bechler eine neue Runde seiner bissigen Betrachtungen der Gegenwart. Mit viel Elektronik und Beats macht er sich lustig über den Adel, ausgefallene Eissorten und "Die Kraft der Pflanze". Ein wenig erinnert das an die Neue Deutsche Welle der späten 70er. Eventuell sei er jetzt ein wenig melancholischer und reflektierter. "Der Tod begegnet einem immer öfter, und natürlich spielt das Älterwerden eine Rolle", sagt der Chansonnier, der 2017 einen Schlaganfall erlitt und in diesem Jahr 50 wird.

Tatsächlich sickert in "Popmusik" immer wieder Endzeit durch. Im Song über die Flugbegleiterin reiht Grebe die Namen von Flughäfen aneinander – in Corona-Zeiten klingt das wie der Blick auf eine ferne Zeit und eine vage Zukunft. Die Stewardess erinnert sich an Shoppingtouren in Shanghai und Liebesaffären mit Piloten, nun ist alles vorbei – ein letztes Mal Tomatensaft servieren.



Den Song könne man auch als Beitrag zur Klimadebatte verstehen. "Wir Künstler hinterlassen ja einen ziemlich großen ökologischen Fußabdruck." Im Lied über den Calvinismus amüsiert sich Grebe über die Hoffnung, Erfinder könnten die Welt retten. Fortschrittsskeptiker sei er nicht, sagt Grebe. Doch seit in der Uckermark im Nordosten Brandenburgs ein zweites Domizil hat, begegne ihm dieser Typus immer wieder. "Die haben eine heimliche Freude daran, dass die Welt in ihren Augen untergeht". In der Ballade "Meganice Zeit" unternimmt Grebe eine Fahrt durch deutsche Landschaften, vorbei an Autobahnausfahrten und AfD-Anhängern.

Das Album entstand im Haus auf dem Land, wo Grebe im Funkloch auch kein Internet hat. Etwas verwurzelt ist Grebe dennoch. Im Herbst beginnt er mit einer großen Pflanzaktion für einen Wald in Brandenburg.

Esteban Engel



•Tonproduktion Records/Rough Trade, ca. 18 Euro