Europäische Wochen
Münchner Philharmoniker beschließen Festspiele in Passau

24.07.2022 | Stand 21.09.2023, 6:27 Uhr

Umrahmt von der Lichtkunst des Künstlers Lillevan spielt das Kammerorchester der Münchner Philharmoniker zum Abschluss der Europäischen Wochen Passau in der dortigen Studienkirche. Geplant war das Finale unter freiem Himmel auf dem Thingplatz bei Veste Oberhaus. −Foto: Toni Scholz

Stuck- statt Baumkulisse: Eigentlich hätte der "Passauer Sommernachtszauber" mit dem Kammerorchester der Münchner Philharmoniker und einer Lichtkunstshow von Lillevan am Samstagabend unter freiem Himmel auf dem Passauer Thingplatz stattfinden sollen.



Nach mehreren Gewitterwarnungen entschieden sich die Organisatoren jedoch dazu, das Abschlusskonzert der Festspiele Europäische Wochen in die Passauer Studienkirche St. Michael zu verlegen.

Weitere Berichte zu den Europäischen Wochen finden Sie auf unserer Sonderseite.

"Wir wollen einen entspannten Abend ohne Donnerwetter zum Abschluss der 70. Europäischen Wochen", erklärte EW-Intendant Carsten Gerhard zur Begrüßung. Schade, könnte man meinen: Das Konzertprogramm mit Richard Strauss’ Metamorphosen, dem Frühling und dem Winter aus Antonio Vivaldis Vier Jahreszeiten sowie Sommer und Herbst aus Astor Piazzollas Zyklus hätte bei gutem Wetter draußen sicherlich seinen Charme für alle Sinne gehabt – mit den Füßen im Gras, der Sommerluft in der Nase und den leuchtenden Bäumen vor Augen.

Diese Meinung hätte man jedoch gleich zu Beginn des Konzerts revidiert. Der Zauber der Sommernacht entfaltete sich in der Studienkirche über die Ohren, getragen von der beeindruckend feinfühligen, tiefsinnigen Dynamik des Kammerorchesters unter Leitung des Soloviolinisten Lorenz Nasturica-Herschcowici. Gerade den sehr zarten und leisen Tönen gab das Kirchenschiff den Raum zum Gedeihen, den sie unter freiem Himmel nicht gefunden hätten.

Besonders im ersten Teil des Programms bei Strauss’ Metamorphosen für 23 Solostreicher gelang es den Musikern und allen voran dem Orchesterleiter selbst an der Violine, das Werk in all seinen blassen, starken und dunklen Farben auszumalen. Es sind Bilder der Erinnerung, der Sehnsucht nach der Vergangenheit inmitten des Gegenwartsbilds der Trümmer, in die der Zweite Weltkrieg Theater und Konzerthäuser gelegt hat, die Strauss in seinem Werk zeichnet. Motive der Trauer, Resignation und Wut, die Nasturica-Herschcowici so fühlte, dass er selbst beim Spielen auf den Boden stampfte.

Der zweite Teil des Konzerts mit den jeweils zwei Jahreszeiten aus den Zyklen von Vivaldi und Piazzolla stellte hierzu einen Kontrast dar: Die Lebensfreude rückte in den Vordergrund. Die hier einsetzende Lichtkunstshow schmiegte sich dazu nicht nur um den Altarraum selbst, sondern auch treffsicher um die Musik. Der in Berlin lebende Animations-, Video- und Medienkünstler Lillevan ließ bei seiner Lichtkunstshow zu Vivaldis Frühling zarte Gräser an den Kirchenwänden den ersten Sonnenstrahlen entgegenwachsen, beim Winter Dunkelheit und Licht sich gegenseitig verfolgen. Feurig wurde es bei der Interpretation des Sommers und Herbsts von Piazzolla – auf der Bühne und um sie herum: der argentinische Komponist holt die Jahreszeiten in seinen Werken nach Lateinamerika und lässt seine Nähe zum Tango immer wieder erkennen.

"Wir hoffen, wir dürfen wiederkommen", sagte Lorenz Nasturica-Herschcowici und schenkte den Zuhörern zwei Zugaben. Es schien, als wollten weder Musiker noch Publikum, dass der Sommernachtszauber ein Ende findet; die Füße vor den Kirchenbänken wippten, einige Musiker tanzten gar, tosender Applaus. Einfach: Donnerwetter – aber nicht von oben!