"Lieber Hund am Bein als Stäbchen in der Nase"

Jürgen Latussek aus Tann bildet Vierbeiner zu Corona-Spürhunden aus – Erste Erfolge nach nur 14 Tagen Training

11.11.2021 | Stand 20.09.2023, 1:05 Uhr

Eingespieltes Team: Die einjährige Tammi besucht von klein auf die Hundeschule von Jürgen Latussek, wodurch sie perfekt für die Ausbildung zum Corona-Spürhund bei ihm geeignet ist. −Foto: Renner

Tann. Sobald Tammi den Raum betritt, schnüffelt sie an allem, was sie vor die Schnauze bekommt. Möbelstücke, andere Hunde, unbekannte Gäste von der Presse. Hosenbeine und Socken von Zweibeinern haben es ihr besonders angetan. Denn dort findet das einjährige Energiebündel den Geruch, nach dem sie sucht. Tammi ist ein Corona-Spürhund.

Hundetrainer Jürgen Latussek aus Tann (Lkr. Rottal-Inn) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Tammi diese besondere Fähigkeit beizubringen. "Da ich Diabetiker bin, ist mein eigener Hund Strieze zum Diabetesassistenzhund ausgebildet", erzählt Latussek. Die hohe Zuverlässigkeit der Spürnase habe ihn überrascht und überzeugt zugleich. "Strieze macht sich bemerkbar, bevor mein Messgerät etwas anzeigt. Die Zeitspanne reicht von 30 Minuten, bis zu mehreren Stunden davor."

Spielerisches Training mit Leckerlis und Socken

Bei der Ausbildung eines Hundes unterscheidet es sich kaum auf was er abgerichtet wird. Warum sollte es also bei Corona anders sein als bei Diabetesassistenz- oder Drogenspürhunden, dachte sich Latussek. Er hat beschlossen es auszuprobieren. Jetzt musste nur noch ein geeigneter Hund her. Seine Wahl fiel auf Tammi, die er aus seiner Hundeschule bereits von klein auf kannte und als "perfekt geeignet" einschätzte.

Tammis Besitzer, das Ehepaar Katja und Thomas Hager aus Zimmern (Lkr. Rottal-Inn), waren von dem Vorschlag auf Anhieb begeistert. "Für sie ist es ein tolles Spiel und ausgelastet wird sie durch das regelmäßige Training auch", sagt Katja Hager. Bei Tammis schier endloser Energie sei es auch zwingend nötig, ihr eine fordernde Beschäftigung zu bieten.

Anfangs kamen Trainer und Hund ohne fremde Hosenbeine aus. Im Training stellte Latussek für die feine Spürnase verschiedene Geruchsproben parat. Darunter ein Kleidungsfetzen eines mit Corona Infizierten. An die Stofffetzen kommt Latussek durch Nachfragen im Bekanntenkreis. "Nachdem ich erkläre, was ich damit vorhabe, bekomme ich meistens auch eine Socke oder einen Stofffetzen", lacht Latussek. Immer wenn Tammi an dem Behälter schnüffelt, in dem die richtige Probe liegt, gibt es mit einem Clicker-Lernassistenten eine akustische Rückmeldung – gefolgt von einem Leckerli. "Damit kann man den Hund sekundengenau belohnen. Nach etwas Übung assoziiert er mit dem Geruch das Clicker-Geräusch und damit wiederum eine Fressbelohnung", erklärt Latussek. Klassische pawlowsche Konditionierung.

Bei der motivierten Schülerin stellten sich schnell erste Erfolge ein. "Nach nur zwei Wochen hat sie im Training zu 100Prozent die Coronaproben erkannt", sagt Herrchen Thomas Hager stolz. Im nächsten Schritt musste die Spürnase daran gewöhnt werden, mit Menschen zu arbeiten. "Sie stupste immer mit der Pfote dagegen, wenn sie fündig wurde. Bei Behältern kein Problem, aber bei Menschen, die vielleicht etwas Respekt vor Hunden haben, natürlich nicht ideal", so Latussek. Nach der Umstellung legt sich Tammi jetzt auf den Boden, sobald sie etwas gefunden hat. Viel weniger aufdringlich und ebenso aussagekräftig.

"Schnüffeltest" in Apothekeein voller Erfolg

Ihren ersten Bewährungsproben stellte sie sich im Kollegen- und Bekanntenkreis der Hagers. Katja Hager nahm Tammi mit in die Arbeit. Beim "Schnüffeltest" in der Apotheke fixierte der Hund eine Kollegin von Hager, die abseits stand und eigentlich nicht beteiligt war. "Davon war ich erst überrascht, zumal die Kollegin völlig gesund war." Ein Rückschlag im Training? Nein. Die eigentliche Überraschung folgte am nächsten Morgen. "Die besagte Kollegin fühlte sich krank. Corona war es nicht, aber sie hat sich eine Erkältung eingefangen", sagt Katja Hager. Womöglich riechen die Viren ähnlich? Auf einer Feier im Bekanntenkreis wurde Tammi ein weiteres Mal getestet. "Corona hatte auch dort niemand, aber es war schön zu sehen wie positiv alle auf sie reagieren", erzählt Thomas Hager. Für viele Menschen gelte wohl: "Lieber Hund am Bein als Stäbchen in der Nase", scherzt das Herrchen.

Genau darin sieht Jürgen Latussek den großen Vorteil der Corona-Spürhunde. "Mit einem Hund haben sie einen ganz anderen, viel lockereren Zugang zu den Menschen." Sein Ziel ist es Schulhunde auszubilden. An einer Mühldorfer Schule wurde Latussek mit Schulhündin Paula bereits fündig und hat das Training begonnen. "Kinder können noch nicht gegen Corona geimpft werden, da kam mir die Idee mit den Schulhunden. Der könnte im Schulhaus ganz ungezwungen und spielerisch für mehr Sicherheit vor dem Virus sorgen", so Latusseks Plan.