Liebe neben Kamm und Schere

Zum Tod des Passauer Friseurmeisters Ludwig "Lui" Hafner

22.04.2020 | Stand 25.10.2023, 11:00 Uhr

Da freut sich Groß und Klein: Ludwig Hafner frisierte seinen Enkel Sebastian in seinem Salon im Schießstattweg.

Dieser Mann hörte zu, lächelte verschmitzt und hatte stets den Schalk im Nacken: Ludwig Hafner ist in der vergangenen Woche im Alter von 84 Jahren gestorben, doch "Lui", wie fast alle den Friseur aus dem Schießstattweg 1a nannten, hinterlässt mehr als einen Salon. Ludwig Hafner war in Passau eine Institution, geschätzt, geliebt, geachtet. Noch bis zuletzt, solange es seine Gesundheit zuließ, ließ sich der Passauer Bischof Stefan Oster von ihm die Haare in Form schneiden, zuvor vertraute schon Alt-Bischof Wilhelm Schraml den Künsten des immer freundlichen und stets aufmerksamen Coiffeurs.

Doch nicht nur bei der kirchlichen Prominenz setzte er die Schere an, so suchten die Landräte Hanns Dorfner und Franz Meyer ebenso wie viele andere das Geschäft unweit der Passauer Mitte auf, denn dort gab’s nicht nur Handwerk mit Herz, sondern auch einen Meister mit einem großen Herzen, "Lui" Hafner.

Vielleicht lassen sich die Gründe für dessen Liebe zum Menschen in seiner Kindheit finden. Geboren 1935 in Oberndorf bei Kirchberg vorm Wald wuchs Hafner in Sandbach mit zwei Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf, die erste Orange erhielt die Familie von einem amerikanischen GI. Der junge Ludwig hatte zwei Berufe im Sinn: Schneider oder Friseur, er entschied sich gegen Nadel und Faden und für Kamm und Schere.

Auch sein Bruder wählte diesen Beruf und fand bei der Bundeswehr an den Standorten in Straubing und Bogen sein Auskommen. Ludwig Hafner zog’s dagegen zunächst in die Fremde, "auf die Walz". Und er landete zunächst in Brig im Kanton Walis in der Schweiz. Dort am Fuße des Simplonpasses, frisierte der Niederbayer in einem italienischen Salon, Mittagessen tischte die "Mamma" des Chefs auf – ein Fest für "Lui". Doch sein Weg führte ihn weiter, nach Bietigheim, 17 Kilometer südlich von Karlsruhe, in Baden-Württemberg.

Dies sollte jedoch nur ein Intermezzo auf dem Weg zurück in die Heimat sein, in der er zunächst im damals ersten Haus am Platze, dem Salon Kuchler, vorstellig wurde, um Passaus Hohen Herren das Haar zu legen. Ein Arbeitsleben als Diener ging ihm jedoch gegen den Strich, er wagte 1963 im Alter von 28 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit. Im gleichen Jahre führte er seine Hilde vor den Altar, ein Jahr später durfte Ludwig Hafner erstmals seiner Tochter Monika in die Augen schauen.

Zunächst frisierte er die Damen- und Herrenwelt im ehemaligen Laden des Malers Zankl im Schießstattweg, 1971 eröffnete er das Geschäft mit der Hausnummer 1a – ein Neubau. Und die Trocken-Hauben surrten und die Berge abgeschnittener Haare und Zöpfe wuchsen: Hafner fing mit seinem Angestellten Ernst, der ihm 40 Jahre treu blieb, klein an und beschäftigte zu Spitzenzeiten zwölf Mitarbeiter. Unterstützt wurde der Friseur dabei von seiner liebevollen Ehefrau Hilde, die ihm 1977 Sohn Stefan schenkte.

Sein Leben spielte sich jedoch nicht nur im Schießstattweg oder im Heim in der Jakob-Endl-Straße ab, von seiner geselligen Ader profitierten auch seine Sportskameraden im Tennis-Club Rot-Weiß und im Skiclub Passau. Oder beim Stammtisch, zu dem sich stets eine gesellige Runde um Ludwig Hafner im "Weißen Hasen" einfand. Und die eine oder andere Geschichte über legendäre Radl-Touren an die Mosel oder in die Steiermark machte da die Runde, der lebensbejahende Mensch genoss die Abende in guter Gemeinschaft – immer mit einem Augenzwinkern und einem Späßchen auf den Lippen.

Nähe, Wärme und große Zuneigung brachte er auch seinen drei Enkelkindern Johanna, Amelie und Sebastian entgegen, gerade der sechsjährige Spross seines Sohnes Stefan weckte noch einmal alle Lebensgeister des Großvaters, dies half ihm vor drei Jahren über eine schwere Operation hinweg. So chauffierte der über 80-Jährige den Kleinen noch pünktlich und akkurat zum Tennis-Training bei Rot-Weiß.

Ludwig Hafner stand bis zuletzt auch seiner Tochter Monika zur Seite, die am 1. Januar 2008 den Friseursalon vom Vater übernommen hatte. Der Kavalier alter Schule hielt hier und da noch einen schnellen Plausch und schloss noch sehr oft abends für sie den Laden zu.

Ludwig Hafner ist in der vergangenen Woche zu Hause sanft entschlafen, sein Körper beugte sich den Schmerzen einer schweren Operation. Mit ihm verliert nicht nur ein Passauer Friseursalon eine gute Seele und einen hervorragenden Meister seines Fachs, sondern auch unzählige Menschen einen guten Geschichten-Erzähler, einen guten Zuhörer, einen Freund. "Lui" Hafner hatte das Herz am rechten Fleck, heute wird er nach einem erfüllten Leben auf dem Friedhof in Auerbach zu Grabe getragen.