Auftritt mit Jeff Beck
Johnny Depps kurzes Gastspiel auf dem Tollwood

14.07.2022 | Stand 20.09.2023, 22:37 Uhr

Schon allein optisch ist Johnny Depp (r.) der perfekte Rockstar. Der wahre Rocker dagegen ist Jeff Beck (links) – hier zusammen fotografiert in der Royal Albert Hall in London. −Foto: Christie Goodwin

Theoretisch ist die Hälfte der 6000 Besucher in der ausverkauften Musik-Arena auf dem Tollwood-Festival alleine wegen Jeff Beck und seinen Gitarrenkünsten gekommen. Bei seinem letzten Auftritt in München hatte der britische Rockgitarrist und mehrfache Grammypreisträger den nicht einmal halb so großen Circus Krone gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Heute gibt es, wie zu erwarten war, keine Karten mehr.

Denn der 78-Jährige, der in den 60ern kurz bei den Yardbirds spielte, hat nicht nur seine cremefarbene Stratocaster dabei, sondern als Special Guest Hollywoodstar Johnny Depp. Der sucht nach überstandener Schlamm- und Justizschlacht mit seiner Ex-Frau Amber Heard wohl Abwechslung und findet sie in der Musik. Wegen ihm sind auch auffällig viele Frauen im Publikum.

Die Bananafishbones aus Bad Tölz läuten den Abend ein. Der Alternative-Pop und Hits wie "Easy Day" und "Come to Sin" werden lauthals mitgesungen und beklatscht. Nach gut dreißig Minuten ist der optisch unspektakuläre, aber musikalisch substanzielle Auftritt vorbei. Klanglich noch substanzieller wird es Punkt acht, als Jeff Beck loslegt. Nicht zuletzt dank der großen Leinwände fällt sofort seine außergewöhnliche Spieltechnik auf. Ohne Plektrum schlägt er die Saiten meist mit dem Daumen an. Und auch der viel genutzte Vibrato-Hebel sorgt für den starken und besonderen Sound. Instrumentals wie "Star Cycle" oder die ebenso gesanglosen Coverversionen "Stratus" von Billy Cobham und "Caroline, No" von Brian Wilson finden dabei offensichtlich Gefallen beim Publikum. Das Wilson-Cover leitet der sonnenbebrillte Beck mit einigen seiner wenigen Worte ein. Stark und selbsterklärend dann ein Stück wie "Brush With The Blues".

Sehr souverän auch Becks Band mit Rhonda Smith am Bass, Robert Adam Stevenson an den Keyboards und der deutschen Schlagzeugerin Anika Nilles. Sie unterstützen Gitarre und Grooves des Meisters großartig und dürfen mit kleinen Soloeinlagen glänzen.

Nach etwa 40 Minuten endlich das, worauf "alle" gewartet haben. Leinwandlegende Johnny Depp entert die Bühne. Mit seinen vielen Ringen, Tattoos, Tüchern und Halsketten ist er dabei schon allein optisch der perfekte Rockstar. Und auch seine Gitarre im Schlangenleder- und Leopard-Look passt perfekt ins Poserbild. In die Saiten greift er im Gegensatz zu Beck zwar nur wenig, zum Mikrofon umso mehr. Mit ansprechendem Timbre singt Depp Nummern von John Lennon, von The Jimi Hendrix Experience und das von ihm komponierte Stück "This Is A Song For Miss Hedy Lamarr".

Und auch wenn nicht jeder Ton an der richtigen Stelle sitzt, ist die Euphorie im Zelt riesig. Alles andere als riesig bzw. lang ist die Spielzeit. Nach gerade mal 71 Minuten, davon knapp die Hälfte mit Depp ist der Auftritt dieser ungewöhnlichen, aber unterhaltsamen Konstellation schon wieder vorbei. Da dauert ja jeder Film im Kino mit Depp in der Hauptrolle länger. So mancher Fan aus der langen Warteschlange wird da wohl nicht zu Unrecht etwas enttäuscht gewesen sein.

Martin Buchenberger