Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall
Ist Dirk Stermanns Roman wirklich "Der Hammer"?

08.03.2020 | Stand 08.03.2020, 12:58 Uhr

Der Biografie des Grazer Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall (1774 bis 1856) widmet sich Dirk Stermann in "Der Hammer". −Foto: Rowohlt

Dirk Stermann, der im Satireduo mit Christoph Grissemann bekannt wurde, hat sich mit hochkomischen Romanen wie "Sechs Österreicher unter den ersten fünf" (2012) oder "Der Junge bekommt das Gute zuletzt" (2016) als vielseitiger Autor etabliert. Vor allem bei Letzterem schafft er einen Spagat zwischen Satire und Einfühlungsvermögen. Mit "Der Hammer" versucht er sich nun an einem Historienroman, genauer: an einer historischen, halbfiktionalen Biografie des Grazer Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall (1774 bis 1856).

"Der Hammer" erzählt die Lebensgeschichte von Joseph, der mit 15 Jahren als "Sprachknabe" am Wiener Hof eine Ausbildung als Dolmetscher für den diplomatischen Dienst erhält. Er lernt Türkisch, Arabisch und Persisch und wird schließlich nach Konstantinopel entsandt. Sein Leben lang vermittelt er zwischen Orient und Okzident, fühlt sich aber nirgendwo richtig aufgehoben. Hammer-Purgstall lernt die Prominenz seiner Zeit kennen und erlebt den Feldzug gegen Napoleon in Ägypten. Wirklich teilnehmen am Leben seiner Zeit tut der Österreicher aber nicht. Man könnte ihn als passiven Protagonisten bezeichnen, der seine ganze Energie in das Übersetzen von orientalischen Texten steckt.

Das Morgenland und Österreich im 18. Jahrhundert trennt nicht nur das Mittelmeer. Stermann hebt den paradiesischen – und hygienischen – Charakter des Orient durch detaillierteste Beschreibungen der verstunkenen Stadt Wien hervor. Nach vier Seiten ekelhaft malerisch erzählter Gestänke könnte man glatt meinen, es handle sich um eine Fortsetzung von Süskinds "Das Parfum". Trotz alledem ist "Der Hammer" eindeutig ein Stermann. Alle paar Seiten versteckt sich ein sarkastischer Witz. Das einzig wirklich Faszinierende an dem Protagonisten ist seine Muße und Hingabe zum Übersetzen. Keine wirklich fesselnde oder romanfähige Charaktereigenschaft. Trotzdem hat Stermann eine Geschichte daraus gemacht, nur ist diese eben nicht der Hammer.

Isabella Scholz

•Rowohlt, 448 Seiten, 24 Euro


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