Heimbewohner bestellen Drogen im Darknet

Pakete bei der Post von Polizei beschlagnahmt – Bewährung für 32-Jährigen – Alte Strafe mit in Urteil einbezogen

08.02.2021 | Stand 21.09.2023, 0:23 Uhr
Hannes Höfer

BGL. Dreimal hatte der 32-Jährige per Handy im Darknet Drogen bestellt. Bei der Reichenhaller Post abholen sollte das Paket jeweils einer seiner Mitbewohner. Seit drei Jahren lebt der gebürtige Frankfurter in dieser sozialtherapeutischen Einrichtung und hatte zur Zeit der Taten noch keinen Ausgang. Am Amtsgericht Laufen angeklagt war Handel von Betäubungsmittel, im Urteil kam dann noch versuchter Erwerb dazu. Es lautete auf elf Monate mit dreijährigen Bewährungschance.

"Borderline-Syndrom, ADHS und Polytoxikomanie", zählte der Angeklagte seine Probleme auf und gestand die Anklage im Wesentlichen ein. Drei Heimbewohner hätten Geld zusammengelegt und er habe das Amphetamin bestellt. Die Menge der ersten Bestellung Anfang 2020 ließ sich nicht mehr eruieren. Erwiesen aber ist die Abgabe von einem Gramm zum Preis von zehn Euro. Eine weitere Bestellung über 33 Gramm erfolgte im März 2020. Vermutlich Anfang April bestellte der 32-Jährige weitere 21 Gramm Amphetamin.

Einer der Beteiligten hatte sich nach der Bestellung aus Angst vor Konsequenzen an seine Therapeutin gewandt und das Vorhaben gebeichtet. In Folge wurden die Pakete von der Polizei abgefangen. Der junge Mann wollte vor Gericht nichts sagen. "Ich weiß nichts mehr, keine Ahnung, will nichts sagen." Ein 30-jähriger Mitbewohner – bereits rechtskräftig verurteilt – räumte die ganze Geschichte ein. "Ich war im offenen Wohnbereich und konnte das Paket abholen." Das war auf seinen Namen bestellt worden. Der Inhalt sollte zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden.

Ob man denn in der Einrichtung zuvor etwas von Konsum und Verkauf mitbekommen habe, wollte Richter Christopher Lang von der Sozialpädagogin wissen. "Nein", sagte die 41-Jährige, "bei einer Rückkehr werden Taschen kontrolliert und auf Alkoholkonsum geachtet." Bei dem Angeklagten laufe es gut, trotz zeitweisem Suchtdruck sei die Entwicklung positiv. "Rückfälle gibt es leider immer wieder", gestand der Angeklagte, der fünf Jahre geschlossen untergebracht war. Er hatte ein Studium sowie mehrere Ausbildungen begonnen, aber nicht abgeschlossen. Sein Wunschziel ist Altenpfleger.

"Es handelt sich bei Amphetamin um eine harte und tückische Droge", stellte Staatsanwalt Dr. Christian Liegl fest. Einschlägig verurteilt worden war der Angeklagte bereits 2018, ein noch offener Strafbefehl über 180 Tagessätze sei in das neue Urteil einzubeziehen. Liegl beantragte 14 Monate, die auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden können. Dazu eine Abstinenzweisung mit entsprechenden Kontrollen.

Widerspruch kam vom Verteidiger. "Eine Freiheitsstrafe kann nur die Ultima Ratio sein", meinte Rechtsanwalt Konstantin Grubwinkler. Bei einem Rückfall sitze sein Mandant in Stadelheim, "so entstehen kriminelle Karrieren." Im Übrigen wäre eine Bewährungsstrafe "rechtlich falsch und kontraproduktiv". Haarsträubend nannte er die Anklage der Staatsanwaltschaft, handle es sich doch nicht einmal um einen versuchten Erwerb, weshalb der Angeklagte in den Punkten zwei und drei freizusprechen sei. Die überhöhten 180 Tagessätze aus dem ergangenen Strafbefehl könnten mit einer angemessenen Gesamtstrafe korrigiert werden, in der Weise, dass man für den angeklagten Handel 30 Tagessätze festlegt und auf eine Gesamtstrafe von 190 Tagessätzen entscheidet. "Eine Abstinenzweisung wird absehbar nicht funktionieren", formulierte der Verteidige seine Sicht. Das "Versuchsstadium" erreicht sah der Richter, seien doch die Abholer auf dem Weg zur Post gewesen. Lang entschied auf elf Monate und eine dreijährige Bewährungsfrist. Dem 32-Jährigen wird für ein Jahr ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt.