St. Englmar
Gstanzlsänger: "Absolute Grenze ist die Gürtellinie"

29.07.2016 | Stand 21.09.2023, 4:50 Uhr

Der Stab des Hochzeitsladers gehört zu Andreas Aichingers Repertoire ebenso wie seine frechen Gstanzl-Sprüche. Heuer unterhält er das Publikum im Aldersbacher Schalander-Zelt. − Foto: privat

Mittelschullehrer, 2. Bürgermeister, Hochzeitslader, Gstanzl-Sänger – vier Berufungen, die sich für Andreas Aichinger nicht ausschließen. Die Ironie gehört zum Leben des 31-Jährigen, so wie die niederbayerische Heimat, der Bayerwald und das Bergdorf Sankt Englmar im Landkreis Straubing-Bogen. Die Bereiche strikt zu trennen, ist Aichinger wichtig – für ihn ein Zeichen von Professionalität. Er will unterhalten, auch am 11. September, wenn Aichinger auf dem 14. Internationalen Volksmusiktag in Aldersbach als Gstanzler auftritt.

Die Strophen dürfen frech sein, aber nicht beleidigen, sagten Sie gegenüber der Heimatzeitung. Ab wann wirken Gstanzl beleidigend?

Andreas Aichinger: Beleidigend, denke ich, ist es dann, wenn derjenige, um den es geht, nicht mehr lachen kann. Das soll eigentlich nicht passieren. Die absolute Grenze ist natürlich die Gürtellinie und auch über gewisse körperliche Eigenheiten verbietet einfach der gute Ton, dass man die aufs Korn nimmt. Wir sind alle nur Menschen, das muss man berücksichtigen.

Improvisiert ist besser als abgelesen?

Aichinger: Absolut. Weil es einem die Möglichkeit gibt, spontaner auf Situationen einzugehen und zu reagieren. Und natürlich ist es auch für das Publikum interessanter, als vorher etwas vorbereitet zu haben, was dann im Endeffekt gar nicht passt. Improvisation hat manchmal den kleinen Nachteil, dass nicht alles zu einhundert Prozent klappt und man sich korrigieren muss. Man muss sehr schnell in seiner Formulierung sein, aber dafür hat es den Vorteil, dass, wenn es passt, dann wie die Faust aufs Auge. Das macht dann auch schlechte Formulierungen wieder wett.

Sie sind gleichzeitig Hochzeitslader. Wie passt das zusammen – oder gehören diese beiden Berufungen quasi immer zusammen?

Aichinger: Im Bayerischen Wald haben das früher ja die Brautführer übernommen, um die Zeremonie aufzulockern und aufzuheitern. Heute passt es gut zusammen, weil man der ganzen Sache einen lockeren Charakter geben kann.

Der Bayerische Wald ist Ihre Heimat. Herr Aichinger, was bedeutet Heimat für Sie?

Aichinger: Ich weiß nicht mehr, wer es einmal gesagt hat, aber ich finde, der Spruch trifft es auf den Punkt: Das muss man studieren, dann weiß man, da is ma dahoam. Es sind ganz viele Faktoren, das sind Familie, Freunde, die Landschaft. Das alles zusammen gibt einem das Gefühl, angekommen zu sein.

Was erreicht der Dialekt, was das Hochdeutsche beim Gstanzl nicht schafft?

Aichinger: Der Dialekt gibt einem die Möglichkeit, Dinge zu sagen, die man mit einem Augenzwinkern sagen kann, ohne dass sie gleich zu grob wirken. Da habe ich manchmal im Hochdeutschen ein Problem. Im Bairischen gibt es Wörter, die man im Hochdeutschen nicht sagen würde. Man kann das schon von dem Wort "Hund" ableiten: Wenn ich im Hochdeutschen "Du Hund!" sage, dann klingt das etwas seltsam. Wenn ich das im Bairischen sage, hat es gleich eine ganz andere Bedeutung.

Sind Sie privat auch oft ironisch oder trennen Sie das komplett?

Aichinger: Ich neige schon zu einer gewissen Ironie, ja. (lacht)

Sie sind von Beruf Mittelschullehrer, nehmen Sie Ihre Schüler auch manchmal auf den Arm?

Aichinger: Da muss man natürlich trennen. Es ist es zwar auch so, dass die Schüler miteinander lachen können müssen, aber da gilt genauso, dass man nicht beleidigend werden darf.

Wenn Sie Gstanzl und Kabarett vergleichen: Was darf der Gstanzler, was ein Kabarettist nicht darf?

Aichinger: Beim Gstanzl stehen natürlich noch mehr das Alltägliche und die Unterhaltung im Vordergrund. Wohingegen das klassische Kabarett in der Regel etwas tiefgründiger ist. Beim Gstanzl will man einfach gut unterhalten werden, man will über sich und über die anderen lachen können. Beim Kabarett steckt immer ein Funken Wahrheit dahinter, man befasst sich mit Gesellschaftskritik. Beim Gstanzl gehört das auch manchmal dazu, aber das ist nicht so ausgeprägt wie im Kabarett.

Sie üben beim Gstanzl normalerweise keine Kritik an Politik und Gesellschaft, nun sind Sie aber gleichzeitig 2. Bürgermeister von Sankt Englmar. Nimmt Ihre Position manchmal trotzdem Einfluss auf Ihre Inhalte?

Aichinger: Man muss das Ganze natürlich mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Professionalität betreiben, so dass man auch hier deutlich trennen muss. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten: Man will beim Gstanzl die Leute von etwas überzeugen, in der politischen Auseinandersetzung geht es natürlich auch um Argumente. Aber da haben Ironie, Sarkasmus und Spaß nichts verloren. Nichtsdestotrotz muss man positiv an die ganze Sache rangehen, weil die Leute merken, ob man selbst Freude daran hat, ob als Gstanzl-Sänger oder in meiner Position als stellvertretender Bürgermeister.

Sie sagten, Sie schreiben sich normalerweise nichts auf, also nehme ich an, Sie haben sich auch für den Internationalen Volksmusiktag bisher kein festes Programm überlegt. Wird Ihr Auftritt dort also auch komplett spontan ablaufen?

Aichinger: Ich werde mich natürlich im Vorfeld noch genau damit befassen, was passiert und wer alles im Programm steht, um den einen oder anderen davon auf die Schippe zu nehmen. Aber im Wesentlichen geht es natürlich darum, das Publikum gut zu unterhalten und zu schauen, was passiert und welche Gäste vor Ort sind.

Interview: Maria Christoph

 Karten für den 14. Internationalen Volksmusiktag gibt es in allen Geschäftsstellen der Passauer Neuen Presse und ihren Lokalausgaben sowie im Klosterladen Aldersbach. Andreas Aichingers Auftritt ist im Preis inbegriffen.