Mit Lars Eidinger und Moritz Bleibtreu
Gefälschte Hitler-Tagebücher als Serie auf RTL+

24.11.2021 | Stand 21.09.2023, 23:03 Uhr
Cornelia Wystrichowski

Gerd Heidemann (Lars Eidinger, links) besucht Konrad Kujau (Moritz Bleibtreu) zum ersten Mal daheim in der schwäbischen Provinz. −Foto:  © Tom Trambow / RTL

"Die übermenschlichen Anstrengungen der letzten Zeit verursachen mir Blähungen im Darmbereich, und Eva sagt, ich habe Mundgeruch." Die angeblichen Hitler-Tagebücher mit vielzitierten Stellen wie dieser waren 1983 eine Sensation, wurden aber kurz nach ihrer Veröffentlichung im "Stern" als platte Fälschung enttarnt. In seiner legendären Kinosatire "Schtonk!" zog Regisseur Helmut Dietl diese "Eulenspiegelei" 1993 durch den Kakao – fast 30 Jahre später wird der Skandal nun neu adaptiert: Die sehenswerte Serie "Faking Hitler" (ab 30.11. auf dem extra zu bezahlenden Streamingkanal RTL+) erzählt die Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher mit Starbesetzung und einem modernen Blick auf die deutsche Vergangenheit neu.

Leider das A und F verwechselt

Moritz Bleibtreu schlüpft in dem Sechsteiler mit Schmerbauch und betulichem Dialekt in die Rolle des Kunstfälschers Konrad Kujau (in "Schtonk" gespielt von Uwe Ochsenknecht). Der faule Hallodri hat Kontakte zu reichen Sammlern von Nazi-Devotionalien und erkennt, dass er mit gefälschten Hitler-Tagebüchern eine schnelle Mark machen kann. Also fabuliert er munter darauf los, lässt den Massenmörder etwa schwadronieren, dass er Chow Chows für eine hinterhältige Hunderasse halte, und verwechselt bei den Initialen in gotischer Frakturschrift mal eben das A und das F – man kennt diese Szene auch aus "Schtonk!".



Lars Eidinger verkörpert in der Serie den "Stern"-Chefreporter Gerd Heidemann (im Kinofilm von Götz George gespielt), der dringend einen Knüller braucht, um seine Karriere zu retten, und der die Hitler-Tagebücher für den Coup seines Lebens hält: Eidinger spielt diesen getriebenen Reporter als kettenrauchenden Wahnwitzigen, aber auch als tragische Gestalt. Zwischen "Gerd" und "Conny" entwickelt sich eine Männerfreundschaft, doch am Ende ziehen sich beide gegenseitig in den Abgrund und landen, als der Betrug auffliegt, im Gefängnis.
Doch "Faking Hitler" will kein zweites "Schtonk!" sein, die Serie erzählt nicht einfach nur die alte Story noch einmal (samt grotesker Details wie etwa der von Heidemann gekauften Luxusyacht von Hermann Göring), sondern erfindet einen Handlungsstrang um eine starke Frauenfigur dazu. Hier werden Themen wie der Umgang mit dem Nationalsozialismus in den 80ern, überhebliche Männlichkeit und Journalistenethos verhandelt: Die Jungredakteurin Elisabeth Stöckel (Sinje Irslinger) hat in der von Männern dominierten "Stern"-Redaktion einen schweren Stand, denn der Umgangston ist dort teils extrem sexistisch.

Neue Frauenfigur, neue Themen und Konflikte

Als sie die SS-Vergangenheit von Horst Tappert recherchiert, stößt sie auf die Akte ihres eigenen Vaters: Juraprofessor Hans Stöckel (Ulrich Tukur) war als junger Mann bei der SS und an einem Kriegsverbrechen beteiligt. Elisabeth bewegt ihn dazu, sich seiner Schuld zu stellen, und hält am Ende eine Rede über Haltung in schweren Zeiten.

In "Faking Hitler" sind die Charaktere menschlicher, weniger burlesk überzeichnet als in "Schtonk!", bei allem Humor ist der Ton insgesamt ernsthafter. Die detailgetreue 80er-Jahre-Ausstattung samt passender Popmusik sorgt für Atmosphäre.

Cornelia Wystrichowski

•"Faking Hitler", ab Di., 30.11. beim Bezahlanbieter RTL+

•Die sechs 45 Minuten langen Episoden sollen später auch im linearen Fernsehen bei RTL zu sehen sein, ein Termin ist noch offen

•Den Trailer sehen Sie im digitalen Feuilleton auf pnp.de/kultur