Schrobenhausen
Flo Weber: Die Sportfreunde Stiller arbeiten an einem neuen Album

Der Musiker mit Schrobenhausener Wurzeln im Interview mit dem Donaukurier

18.12.2020 | Stand 22.09.2023, 0:27 Uhr

Rüdiger Linhof (v.l.n.r.), Florian Weber und Peter Brugger von der Indie-Rock-Gruppe Sportfreunde Stiller posieren am 28.07.2016 in München (Bayern). −Foto: Matthias Balk/dpa

Mit dem Donaukurier spricht Flo Weber über sein brandneues Musikprojekt MS Flinte, das mögliche, sogar durchaus wahrscheinliche Comeback der "Sportis" und seine Schrobenhausener Wurzeln.

Der gebürtige Schrobenhausener Flo Weber (46) hat als Schlagzeuger und Songwriter der Sportfreunde Stiller zweifellos eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Aber auch als Sänger und Musikproduzent, DJ, Radiomoderator, Romanautor und Maler hat er bereits auf sich aufmerksam gemacht.

Flo, wie war dein Jahr 2020, das wohl auch für dich ein sehr ungewöhnliches war?

Flo Weber: Natürlich. Das Jahr war für viele Menschen auf der ganzen Welt nicht nur ungewöhnlich, sondern eine Zäsur. Aufwand, Strapazen, Unsicherheit und Ängste, die diese Pandemie mitgebracht hat und weiter mitbringt, waren für die meisten von uns in der Form ja noch nie dagewesen. Eine Neuausrichtung unseres Alltags war nötig, auch die Auseinandersetzung mit dem Vertrauen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.

Wie hat sich Corona konkret auf deine beruflichen Pläne ausgewirkt?

Weber: Ehrlich gesagt, nicht mal so besonders. Es stand nämlich von vornherein keine größere Aufgabe wie eine Tournee an. In den vergangenen Monaten habe ich in Ruhe meinen dritten Roman fertig geschrieben, der im Frühjahr 2022 erscheinen wird. Außerdem habe ich die Zeit mit Corona auch dahingehend genutzt, nach über 20 Jahren wieder mit dem Tennisspielen anzufangen. Und nach ein paar Malen hat meine einhändige Rückhand schon wieder so geschnalzt wie früher (lacht).

Du hast in der Zeit auch ein neues musikalisches Projekt angepackt: MS Flinte. Vor drei Wochen hast du daraus einen ersten Song samt Video auf den gängigen Audio- und Videostreaming-Diensten veröffentlicht. Wie ist es eigentlich dazu gekommen?

Weber: Das war ebenfalls dem Lockdown geschuldet und gedankt. Ich habe im März eine spontane Musikidee gehabt und im eigenen Keller umgesetzt. Die Texte habe ich aus meinem Archiv genommen, dann angepasst und erweitert oder fragmentiert verwendet. Oder, wie speziell bei "Tiere kommen!", mit einem Alltagsthema umgesetzt. Nach einem Nachrichtenbericht über Amerika und Schweden, wonach aufgrund des Lockdowns und des damit verbundenen Rückzugs der Menschen in ihre Häuser, Tiere aus umliegenden Wäldern in Ortschaften, gar Städte einfallen, habe ich versucht, dieses Bild musikalisch umzusetzen. Natürlich steht speziell dieses Lied symbolisch für eine ungewöhnliche Welt, die aus vielerlei Hinsicht entstehen könnte.

Die Debüt-Single "Summa Cum Laude" geht in eine musikalische Richtung, die die breite Masse wohl nicht unbedingt von dir erwartet hat?

Weber: (lacht) Kenner der Szene mögen es mir eventuell verzeihen. "Summa Cum Laude" wurde ein Hip-Hop-Song. Das hat im Frühjahr sowas von Spaß gemacht, sodass innerhalb von ein paar Tagen gleich zwölf Lieder herausgekommen sind. Die Ideen habe ich dann im Laufe des Sommers mit meinem Bruder Jörg im Klangwasser-Musikstudio in Halsbach rundproduziert. Jörg hat noch einige saubere Instrumentenattacken mit Saxofon, Rhodes-Piano, Bassklarinette, Querflöte und Streichersequenzen hingebrettert. Zack war MS Flinte fertig.

Es ist also ein Projekt, das in enger Zusammenarbeit mit deinem Bruder umgesetzt worden ist?

Weber: Ja. Ich bin sowieso von Jörgs Fachkenntnissen begeistert und war als kleiner Bruder immer schon Fan von ihm. Ich kenne mich vor allem in technischen Belangen im Vergleich zu ihm nicht so gut aus. Die Umsetzung im Studio war schon sehr spannend und teilweise dermaßen lustig, dass wir vor lauter Lachen nicht nur in den Augen Pipi hatten (lacht).

Welche Idee steckt genau dahinter?

Weber: Ich wollte endlich mal ein Hip-Hop-Album machen. Ohne sich jetzt auf den Begriff zu versteifen. Wahrscheinlich ist es eher eine Indie-lastige Populärmusik mit alternativem Sprechgesang oder was auch immer. Es ist Musik, die auf Schubladendenken pfeift…

…und damit wen erreichen soll?

Weber: Da das Projekt aus der Spontaneität heraus geboren ist, soll es auch diese transportieren. Es kommt alles aus der Hose geschossen. Eine große Plattenfirma steckt nicht dahinter. Es soll mir und Jörg Spaß machen und wer da gerne mitmacht, der soll seine Boxen laut aufdrehen.

Hattest du mit dem Premierensong neben der Stilrichtung sonst noch was im Sinn?

Weber: Ich bin halt großer Beastie-Boys-Fan. Immer noch. Da knallt einfach ein Synthi-Riff von vorne bis hinten durch den Song. Es ist eines der wenigen Lieder von MS Flinte, bei denen ich das Schlagzeug eingespielt und nicht programmiert habe. Inhaltlich geht es bei der Nummer um eine offensive Bereitstellung von Veränderungswillen im Leben, anstelle permanent tatenlos zu lamentieren.

Warum kommen darin eigentlich lateinische Promotionsnoten vor?

Weber: Ich bin stolzer Inhaber des kleinen Latinums. Das wollte ich natürlich jedem wissen lassen (lacht). Nein, diese Aufzählung einschließlich der Bestnote "Summa Cum Laude" soll ganz einfach zeigen, dass es im Alltag bei der Umsetzung eines Vorhabens kein schwarz-weiß geben muss. Sondern eben Abstufungen, die freilich okay sind. Das Leben ist keine Doktorarbeit, aber es gelingt dem einen besser, dem anderen weniger. Die Latein-Passage ist ein ironisch, aufmunterndes Stilmittel, das aber durch atmosphärische Dramaturgie Tiefgang erhält. Und das Video ist deshalb auch ganz bewusst in schwarz-weiß gedreht worden.

Deiner Facebook-Seite ist zu entnehmen, dass auf dem kürzlich eröffneten Dachsportplatz im Münchner Glockenbachviertel gedreht worden ist. Im Video bist nur du zu sehen...

Weber: …genau, sonst war auch niemand dabei.

Tatsächlich?

Weber: Ja. Das geht ganz gut, wenn man ein wenig Equipment mitbringt. Ich wollte alleine sein, weil ich noch nicht wusste, wie ich mich zu diesem neuen Sound bewege. Nicht, dass noch einer gelacht hätte (lacht). Das Gebäude in der Müllerstraße ist ja vor einigen Jahren vor spekulativer Immobiliennutzung gerettet worden und ist nun ein Wohn- und Kulturzentrum, ein Ankerpunkt, ein Arbeits- und Ausbildungsplatz für geflüchtete Menschen. Ein liebevoll geführtes Café gibt es auch. Alles in allem ein Treffpunkt und eine Klausurstätte für Sozialprojekte. Der "Kurt-Landauer"-Dachsportplatz oben drauf ist ein Erzeugnis des Einsatzes vieler Menschen. Die überaus herausragende Einrichtung "Bellevue di Monaco" war dabei federführend. Sponsoren sorgten für die Finanzmittel. Viele bekannte Gesichter warben für die Umsetzung. Und es ist auch ein Ort zum Selbersporteln, an dem zur Nummer "Summa Cum Laude" passend eben auch ein dynamisches Video gedreht worden ist (lacht). Den Platz kann man auch mieten. In meinem Video im Abspann steht, wie das geht.

Und was wird auf den Premierensong folgen?

Weber: In den nächsten Tagen, also kurz vor Weihnachten, ein zweiter Song samt Video, dieses Mal eher jazzy mit schönen Bläsersätzen und Saxofonmelodien, bevor dann das ganze Album kommt. Dies geschieht vorerst ausschließlich digital, eine Pressung von haptischem Tonmaterial ist vorerst nicht geplant.

Kannst du dir auch vorstellen, in besseren Zeiten eine Konzertreihe mit MS Flinte zu machen?

Weber: Ob MS Flinte live umgesetzt wird, muss ich ganz einfach erfühlen. Es bietet sich schon an und es gäbe auch mehrere Umsetzungsmöglichkeiten und ideenreiche Beispiele des zurückliegenden Sommers. Hoffentlich finden sich mutige und kreative Szenen, die das dann auch wieder möglich machen. Und ob ich dann auf ein Knöpfchen drücke und der Sound von einem Ghettoblaster abgespielt oder mit Liveband-Unterstützung gearbeitet wird, das wird sich zeigen. Einiges ist jedenfalls denkbar. Spaß machen würde es bestimmt.

Auch in deiner Heimatstadt Schrobenhausen?

Weber: Schnelltests, Sommerfrischluft und hoffentlich bald ein umfangreicher Impfstoff werden die Kultureinschränkungen wieder aushebeln. Und dann, wenn die konzeptionellen Hygienemaßnahmen eingehalten werden können, auch Veranstaltungen wieder stattfinden lassen. Hoffentlich auch in Schrobenhausen. Vielleicht bin ich dann dabei, ich würde mich freuen. Erst muss ich aber einen musikalisch umsetzbaren Weg finden.

Lass uns über andere Projekte reden, über die Sportfreunde Stiller zum Beispiel: Eure letzte Platte "Sturm & Stille" wurde vor vier Jahren veröffentlicht, danach habt ihr eine Pause eingelegt…

Weber: …die wir nun beendet haben und gerade versuchen, wieder einen gemeinsamen musikalischen Weg zu finden. Wir arbeiten wieder an neuen Liedern und haben dazu schon Material gesammelt. Einige Songs sind bereits richtig gut ausgearbeitet. Und Spaß am Musizieren ist auch volle Kanne vorhanden. Wir waren auch schon in Probe-Klausur in Niederbayern, wo Rotwein auf Riffs traf, sodass es nur so spritzte (lacht). Nur, auch hier schlägt halt Corona auf unser Tempo ein. Wir machen uns aber weder zeitlichen, noch inhaltlichen Druck. Grundsätzlich sind Peter, Rüde und ich einfach glücklich, dass wieder Musik entsteht.

Bis wann müssen sich eure Fans noch gedulden, bis sie neue Songs der Sportis zu hören bekommen?

Weber: (lacht) Sie dürfen gespannt sein. Aber ich kann noch keine Aussage über den Zeitpunkt des Erscheinens neuer Sportfreunde-Musik treffen. Konsum und Angebot von Musik haben sich außerdem in den Jahren, in denen wir Pause gemacht haben, sehr verändert. Hierfür müssen wir auch erst wieder ein Gefühl entwickeln, was wir wie veröffentlichen wollen. Aber: Kommt Zeit, kommt Tat!

Vor 20 Jahren und später ist euer vor allem junges, eher homogenes Publikum zum Beispiel zu "Wellenreiten ’54", "Heimatlied" oder "Einmal Mond und zurück" auf den Konzerten abgegangen. Was glaubst du, wie wird euer Publikum in Zukunft ausschauen?

Weber: Gerade in den letzten Jahren haben wir auf unseren Konzerten bemerkt, dass wir offenbar nicht nur eine sondern mehrere Generationen vereinen. Das ist schön. Aber sich über die Zusammensetzung unseres zukünftigen Publikums großartig Gedanken zu machen, ist in meinen Augen sowieso Humbug. Bei unseren Konzerten geht es oft um das Vereinende, aber auch um das Energetische. Wenn sich da in den ruhigen Momenten jung und alt in den Armen liegen, ist das genauso schön, wie wenn bei den Fetzern das Publikum richtig Gas gibt (lacht).

Lass uns noch über deine Kinder- und Jugendzeit sprechen: Du bist in Schrobenhausen aufgewachsen, hast dort dein Abitur gemacht und bist im Anschluss zum Studieren nach München gezogen. Wie oft zieht es dich heute noch hierher?

Weber: Natürlich besuche ich mit meiner Familie regelmäßig meinen Papa und die Familie meines Bruders Jörg. In den letzten Jahren war ich auch öfters als mitfiebernder Zuschauer bei den Basketball-Heimspielen der Green Devils, als Jörg dort noch Trainer der ersten Herrenmannschaft war, am Start. Vor allem aber in den letzten Monaten hat mich unsere MS Flinten-Produktion oft hierher gebracht. Das Projekt ist ja durch Rolf Beyers Mastering, Bill Hillingers Gitarre und Gehör, Robert Alonsos Trompete unter der Federführung meines Bruders eine durch und durch Schrobenhausener Produktion. Schrobenhausen war für mich persönlich ja stets ein Hort an musikalischer Kreativität. Als wir damals aufmüpfige Jungs waren, hat uns die hohe Anzahl an Musikbands begeistert. Galt Schrobenhausen Mitte der 1990er Jahre tatsächlich doch als der Ort mit den meisten Musikbands im Verhältnis pro Kopf in ganz Deutschland...

…und du mittendrin?

Weber: Ja, mit den Subsonic Bi Pets haben wir sogar einen Musikwettbewerb in München gewonnen. Doch der Titel ist uns später aberkannt worden, als wir uns kurz darauf aufgelöst hatten. Das waren meine Grunge-Zeiten.

Du hast damals ja nicht nur Musik gemacht, du warst auch ein leidenschaftlicher und ehrgeiziger Sportler…

Weber: …mit den besten Erinnerungen an meine Sportlerkarriere in fünf verschiedenen Sportvereinen mit multikulturellen Freundschaften und dem Lernprozess, gleichermaßen gesund mit Sieg und Niederlage umzugehen. Und vor allem habe ich als Bub von meinem damaligen und überaus geschätzten Schrobenhausener Tennislehrer Ludwig Freundl im Training mein späteres Lebensmotto verabreicht bekommen (lacht): "Flo, du kannst alles, aber nix gscheit!"

Wirst du an Weihnachten auch nach Schrobenhausen kommen?

Weber: Eigentlich bin ich jedes Jahr kurz vor und kurz nach Weihnachten in Schrobenhausen, was in diesem Jahr leider wohl gut überlegt sein muss.