Künstler mit ukrainischen und russischen Wurzeln
Festspiele Europäische Wochen setzen Zeichen für den Frieden

03.04.2022 | Stand 19.09.2023, 22:47 Uhr
Philipp Heidepeter

Ein Abend der Hoffnung, hier mit Anastasia Tschatschin (Querflöte) und Thomas Kunz (Klavier). −Foto: Philipp Heidepeter

Dass der Krieg auch Kultur nicht unberührt lässt, ist kaum zu übersehen: Künstler fliehen aus der Ukraine, in Russland haben es kritische Stimmen noch schwerer als ohnehin, und Anna Netrebkos Verurteilung des Krieges zeigt, wie sehr die politische Positionierung in Westeuropa und Russland gerade darüber entscheidet, ob Engagements zustande kommen. Andersherum kann die Musik auch Zeichen gegen den Krieg setzen.

Beim Friedenskonzert der Festspiele Europäische Wochen Passau im eigenen EW-Saal, das als Benefizkonzert für die Ukraine-Nothilfe stattfand, stand die Verständigung im Zentrum. Und da dies vor allem die junge Generation betreffe, so Kurt Brunner, Leiter der Kreismusikschule und Initiator des Abends, der mit der Leiterin der städtischen Musikschule Barbara Blumenstingl durch den Abend führte, sollten hier junge Musizierende, viele mit ukrainischen oder russischen Wurzeln, ihr Können präsentieren.

Den Auftakt machte die siebenjährige Maria Ulrich, erst vor drei Wochen aus der Ukraine geflohen, mit Viktor Vitlins Stück "Die kleine Maus", und auch danach glänzten junge Pianistinnen: Sophie Schwarz beeindruckte bei Gillocks "Erinnerung an Wien" mit einem agogischen Gespür für einzelne Momente, Elina Ehrenberg präsentierte mit schöner Dynamik eine Ariette des in Kiew geborenen und in Moskau verstorbenen Komponisten Reinhold Glière, und Valerie Bossler meisterte Martinůs technisch anspruchsvolles Stück "Columbine tanzt" mit Bravour. Zu dritt boten die Talente mit schöner interner Abstimmung eine Menuettbearbeitung von Boccherini dar.

Auch die Harfe kam zum Einsatz: Jasmin Jendrzej spielte mit viel Klarheit Bearbeitungen von Bach, Anna Orttenburger zeigte ihre schon jetzt beachtliche Virtuosität bei Michail Glinkas Mozart-Variationen. Eine feurige Note brachten die Geschwister Alexander (Saxofon) und Johanna Glanzer (Klavier) mit dem verspielten Tango-Satz aus Jérôme Naulais’ "Petine Suite Latine" in den Abend, und Johanna Glanzer zeigte auch beim gut abgestimmten Allegretto tranquillo aus Griegs G-Dur-Sonate mit Michael Handwerker an der Violine ihr Können.

Als weiteres Duo, beide mit russischen Wurzeln, waren Anastasia Tschatschin (Querflöte) und Thomas Kunz (Klavier) zu hören und brachten die unterschiedlichen Stimmungen in Donjons "Le Rossignolet" schön zum Ausdruck. Den würdigen Abschluss des Abends lieferte Pianistin Anna Gerdt (14) mit einer glasklar vorgetragenen und dynamisch wohlüberlegten Darbietung von Bachs Präludium und Fuge in B-Dur (BWV 866) und sodann mit einer virtuosen und doch anstrengungslos wirkenden Präsentation von Chopins Fantasie-Impromptu op. 66 – das Talente in diesem Alter so unterschiedliche Repertoires und Stile derart beeindruckend beherrschen, ist selten.

So war der Abend nicht nur tröstlich, weil man kurz die Weltpolitik vergessen durfte, sondern auch hoffnungsvoll: Die jungen Stars dieses Abends werden vielleicht noch von sich hören lassen, und das am besten in einer friedlichen Zukunft, in der Musik gar nicht erst für noch so gute Zwecke instrumentalisiert werden muss.

Philipp Heidepeter