„Großes Gefahrenpotential“
EVP-Wirtschaftsexperte Ferber sieht Gaspreisdeckel als falsche Lösung

08.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:49 Uhr

„Da steckt ein großes Gefahrenpotential drinnen, das den Gaspreis nicht senken, sondern erhöhen würde“, sagt Markus Ferber zum Gaspreisdeckel. −Symbolbild: Jens Büttner/dpa

Von Gernot Heller

Den geplanten Gaspreisdeckel sieht Markus Ferber (CSU), wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, als „zwar eine einfache Lösung, aber nicht die richtige“ an, sagte er im Interview mit der Mediengruppe Bayern.



In Deutschland soll es einen Gaspreisdeckel geben, in der EU offenbar auch. Passt das überhaupt zusammen?
Markus Ferber: Zunächst hat man den Eindruck, als wäre der Gaspreisdeckel die Mutter aller Lösungen. Aber das ist er nicht. Er ist zwar eine einfache Lösung, aber nicht die richtige. Er kann dazu führen, dass zu dem auf der Einkaufsseite formulierten maximalen Preis gar kein Angebot von Gas zur Verfügung steht. Wir würden uns selber schädigen, wenn wir den Gaspreisdeckel so ausgestalten, denn das könnte dazu führen, dass Gas an Europa vorbei gehandelt wird. Da steckt ein großes Gefahrenpotential drinnen, das den Gaspreis nicht senken, sondern erhöhen würde.

Ist das, was in Sachen Gaspreisdeckel in Berlin passiert und in Brüssel aufeinander abgestimmt und miteinander vereinbar?
Ferber: Um die Wahrheit zu sagen: Es ist nicht abgestimmt. Deshalb waren auch die Reaktionen aus den Nachbarstaaten so heftig. Das geschah nicht nur, weil in Berlin so viel Geld in die Hand genommen wird, sondern auch, weil nichts mit den Partnern abgesprochen worden war. Es gibt ja einen Brief von 15 Mitgliedstaaten, die einen Gaspreisdeckel auf der Einkaufsseite fordern. Was aber Deutschland vor hat, setzt beim Verkauf an. Das sind zwei unterschiedliche Konzepte, die nicht zueinander passen.

Partnerländer werfen Deutschland vor, mit seinem 200-Milliarden-Abwehrschirm nur die nationale Brille aufzuhaben und die europäische Solidarität zu verletzen. Ist dieser Vorwurf nachvollziehbar?
Ferber: Ich habe schon den Eindruck, dass von manchem neidisch auf den deutschen „Doppelwumms“ geschaut wird. Es gibt etliche, die da sagen, wenn die Deutschen schon so viel Geld für sich aufwenden, dann sollen sie uns auch etwas geben für ein europäisches Programm. Das aber macht mir ehrlich gesagt Sorgen, denn wir brauchen ja jetzt nicht eine Stärkung der Nachfrage durch ein solches Programm, sondern eine Stärkung des Angebots. Im Übrigen: Was Deutschland macht, kuriert nur die Symptome, aber nicht das Problem.

Könnte es in Europa zu einem neuen Finanztopf zur Bekämpfung der Energiekrise finanziert über gemeinsame Schulden kommen?
Ferber: Das letztere, nämlich neue gemeinsame Schulden, ist völlig ausgeschlossen. In den Verträgen ist klar geregelt, dass es eine Übernahme von Schulden untereinander nicht geben kann. Worüber der eine oder andere aber schon nachdenkt, ist, ob man erneut so ein Programm wie das gegen Corona – es hatte ein Volumen von 750 Milliarden Euro – schaffen sollte. Da hoffe ich, dass Herr Lindner, der sich dagegen ausgesprochen hat, bei seinem Widerstand bleibt. Auf der anderen Seite hat die Kommission vorgeschlagen, aus diesem Corona-Topf noch nicht verwendete Mittel für das Thema Infrastrukturausbau, insbesondere Strom- und Gasnetze, zu verwenden. Das macht auch Sinn. Denn da haben wir ein riesiges Problem. So sind die europäischen Gasnetze nur mangelhaft miteinander verbunden. Für Mittel- und Osteuropa ist bislang alles in Richtung Russland gebaut und nicht in Richtung Westen. Die Diskussion über eine Gasleitung aus Spanien nach Frankreich und Richtung Deutschland zeigt, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Noch ist nicht in allen Hauptstädten die Erkenntnis , dass man hier mit Investitionen aktiv werden muss, denn Paris sperrt sich ja gegen das Projekt.

Droht der EU im Streit über den richtigen Umgang mit der Energiekrise und angesichts unterschiedlicher Betroffenheit eine neue Zerreißprobe?
Ferber: Eine Zerreißprobe vielleicht nicht. Aber unbestreitbar stehen wir bei diesem Thema vor einer Herausforderung, die alle betrifft - und jeder hat eine andere Idee für die Lösung. Wir müssen versuchen, das zusammenzuführen. Die Bundesregierung hätte dafür etwas mehr investieren müssen, denn schließlich hat die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, enger mit den europäischen Partnern zusammenarbeiten zu wollen. Sie hat jetzt genau das Gegenteil getan und wundert sich auch noch, dass es einen Aufschrei dagegen gab.