Skulpturenmuseum Triftern
"Es ist ein Gemeinschaftsprojekt" – Bildhauer Bernd Stöcker wirbt um Akzeptanz für "Alte Post"

01.02.2019 | Stand 21.09.2023, 1:31 Uhr

Die "Alte Post" war ein Schmuckstück der Gemeinde, und könnte das wieder werden als Ausstellungs- und Gesellschaftshaus. Im ersten Bauabschnitt soll der marode Stadel dahinter saniert werden. −Foto: privat

Das frühere Wirtshaus "Alte Post" in Triftern ist neben der Kirche das prägende Gebäude in der Marktgemeinde im Landkreis Rottal-Inn. Mit dem Landesförderprogramm "Innen statt Außen" bietet sich eine Chance, den über 220 Jahre alten Komplex zu sanieren und zu erhalten. Darum will der Marktgemeinderat das Vorhaben, dort ein Skulpturenmuseum, Seminarräume und evtl. ein Café einzurichten mit nicht gedeckelten zehn Prozent der Kosten – mindestens 220000 Euro – unterstützen. Doch weil die Gebäude einem Privatmann gehören, weil sich die Fördersätze des Freistaats ändern und die Kosten schlimmstenfalls noch erheblich steigen könnten, haben Kritiker dagegen einen Bürgerentscheid initiiert, am 17. März stimmen die Bürger ab, ob sie sich gegen das Votum ihrer politischen Vertreter stellen wollen. Der Eigentümer, Bildhauer Bernd Stöcker, will die Menschen überzeugen, für die Beteiligung der Gemeinde und für die Sanierung der "Alten Post" zu stimmen.

Herr Stöcker, der Marktgemeinderat hat einen Bürgerentscheid zugelassen, der das Votum für die Förderung rückgängig machen könnte. Wie sehr trifft sie das?
Bernd Stöcker: Ja, das überrascht mich schon, und es überrascht mich auch die sogenannte Begründung, die keine Begründung ist, sondern ein herber Vorwurf der Steuerverschwendung. Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Förderung "Innen statt Außen", die hier bekämpft wird, hat die Landesregierung gegründet, um den Flächenfraß einzudämmen und den Leerstand zu bekämpfen. In Triftern handelt es sich um ein historisches Gebäude aus dem 18 Jahrhundert, das der Denkmalschutz als einmalig in Niederbayern bezeichnet. Darum ist es sinnvoll, dieses Geld zu investieren.

Die Kritik entzündet sich daran, dass die Gebäude Ihr Privateigentum sind.
Stöcker: Zunächst muss man klarstellen: Es ist Grundbedingung für die Förderung, dass ich mindestens 25 Jahre lang Kultur und Kunst in diesem Haus anbiete. Damit sind nicht nur meine eigenen Ausstellungen gemeint, sondern ich finde es sehr wichtig für meine Arbeit und für die Ausstrahlung der Region, dass ein Dialog entsteht zwischen verschiedenen Künstlern und zwischen Kunst und Betrachter.

Können Sie die Initiatoren und Unterstützer des Bürgerentscheids verstehen?
Stöcker: Eigentlich nicht. Denn sie haben keinerlei Ideen vorgeschlagen, wie der wachsende Leerstand in Triftern zu bekämpfen ist. Immer mehr Einzelgeschäfte müssen zusperren. Das ist eine schlimme Entwicklung, gegen die man was tun muss.

Der Bürgermeister unterstützt ihr Vorhaben sehr deutlich, ebenso die Regierung von Niederbayern und das Landesamt für Denkmalschutz. Und dann organisieren die Gegner des Projekts statt der nötigen 430 Unterschriften 1254 gültige, das sind über 20 Prozent der Stimmberechtigten. Was ist schief gelaufen in der Kommunikation über dieses Projekt?
Stöcker: Die Unterschriftensammlung wurde gleich zwei oder drei Tage nach der Entscheidung des Gemeinderats massiv in Gang gesetzt. Es wurde von Tür zu Tür gegangen, und die Informationen, die da gegeben wurden, waren zum Teil falsch.

Was genau war falsch an den Informationen?
Stöcker: Es wird der Vorwurf erhoben, dass einem Privatmann Geld in den Rachen geschmissen werde – und das war der Hauptgrund, weshalb diese Leute unterschrieben haben.

Warum sollte sich eine Gemeinde an einem privaten Projekt beteiligen, das ihr nicht gehört?
Stöcker: Das Konzept, das ich zusammen mit dem Architekten Norbert Paukner aus Passau entwickelt habe, sieht vor, dass in der "Alten Post" nicht nur meine Arbeiten ausgestellt werden, sondern dass auch andere Künstler dort Räumlichkeiten haben und dass die Gemeinde dort Räume hat, etwa für ein Jugendcafé, Kinderkino und so weiter. Das Hauptproblem bei der ganzen Sache ist, dass der Nutzen von Kunst und Kultur für unsere Identität und unser Heimatgefühl zu gering geschätzt wird. Darum sollen in der "Alten Post" Räume entstehen, wo gerade die Jugend in gestalterischen Kursen aktiv werden kann. Wenn ich gelernt habe zu gestalten, dann kann ich auch mein Leben und die Demokratie gestalten.

Was wollen Sie bis 17. März machen, um die 4300 Wahlberechtigten zu überzeugen, dass die 25,60 Euro pro Bürger doch gut angelegt sind?
Stöcker: Das hoffe ich doch stark, dass ich sie überzeugen kann. Und das Erste wird natürlich sein, dass ich die Tore der Alten Post öffne, es wird in der Faschingswoche eine Ausstellung geben mit dem Thema "Verwandlung", wo Künstler aus der Region Gelegenheit finden werden, acht bis zehn Räume in der Alten Post spielerisch zu gestalten. Zudem wird die Gemeinde einen Informationsabend anbieten, bei dem Vertreter der Regierung und Denkmalschützer anwesend sein werden und bei dem alle Fragen zu dem Thema beantwortet werden. Und es wird noch weitere Veranstaltungen darüber hinaus geben.

Sind oder waren Sie denn in Kontakt mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens?
Stöcker: Es hat nie einen Kontakt gegeben, sie haben mich gemieden.

Sie könnten anrufen und sie zum Gespräch einladen?
Stöcker: Alles, was in der Gemeinderatssitzung vorgebracht wurde, waren eigentlich keine Argumente, sondern nur Befürchtungen. Das ist eine Neiddebatte, das muss man ehrlich sagen. Jetzt heißt es: Sie sind gar nicht gegen ein Skulpturenmuseum, sie sind nur gegen die Finanzierung durch den Gemeinderat. Dabei verschweigen sie, dass die Finanzierung durch den Gemeinderat notwendig ist dafür, dass die 90-Prozent-Finanzierung des Landes Bayern stattfindet. Ich kann den Antrag für den Fonds nicht stellen, den kann nur die Gemeinde stellen.

Vielleicht lässt sich Neid sich ausräumen. Wann haben Sie das Gebäude warum gekauft?
Stöcker: Das Gebäude stand, glaube ich, acht Jahre leer. Es gab verschiedene Interessenten, die aber die zugehörige Scheune abreißen wollten. Durch einen Freund bin ich 2014 auf das Objekt aufmerksam geworden und habe gemerkt, dass die Scheune ein fantastischer Ort ist für mich und meine Skulpturen. Zum Teil ist da nur Mutterboden drin, da bin ich sehr nah dran an der Natur, am Stein und am Material dran – ein idealer Ausstellungsort. Ich möchte das gar nicht verschweigen: Ich habe etwas gesucht als Ausstellungsort für meine Figuren nach meinem Tode. Die Frage, was passiert mit den Werken nach dem Tod, ist eine ganz entscheidende für jeden Künstler. Man arbeitet nicht 50, 60 Jahre, und dann liegen die Arbeiten irgendwo auf einem Haufen. Mit dieser Scheune war ein Ort gegeben, wo ich meine Werke nach meinem Tode ausstellen kann.

Also doch ein Stöcker-Museum?
Stöcker: Nein, ich bin nicht der Meinung, dass ein persönliches Museum Sinn hat. Das muss ein lebendiges Museum sein, und dazu gehören Wechselausstellungen, Dialog mit anderen Künstlern und Aktivitäten gestalterischer Art. Ich liebe meinen Beruf so sehr, da habe ich missionarisches Interesse: Die Freude der Gestaltung möchte ich der Jugend vermitteln. Im Gasthaus sind dafür im Erdgeschoss Gruppenräume vorgesehen, in der Scheune entsteht ein weiterer, und im ersten und zweiten Geschoss des Haupthauses sollen Wechselausstellungen stattfinden.

Die Scheune selbst bliebe für Ihre Arbeiten reserviert?
Stöcker: So lange ich lebe, braucht es dort meine Arbeiten nicht. Ich werde dort Skulpturenausstellungen auch von anderen Künstlern anbieten, das ist die Zielsetzung.

Wer wird diese Ausstellungen, Veranstaltungen, Workshops, alle planen und finanzieren?
Stöcker: Wir hatten 2018 in der "Alten Post" eine Ausstellung mit über 1300 Besuchern, an der 13 Künstler aus Triftern beteiligt waren. Es wird ein Verein gegründet, der sowohl die gestalterischen Aufgaben übernimmt, der die Räume nutzt und auch die Kegelbahn wieder aktiviert. Künstler der Region können Angebote für Jugend und Senioren anbieten. Und die Wechselausstellungen werden unter meiner Regie stattfinden. Und da ich ein ziemlich gutes Netzwerk habe, kann ich auch attraktive Ausstellungen versprechen. Wir haben jetzt schon eine Band, die ihren Proberaum dort hat – die Türen sind offen für solche Projekte.

Für Kegelbahn und Café braucht es einen Wirt.
Stöcker: Die Förderung setzt voraus, dass ich mit dem ganzen Projekt keinen Profit mache. Auch das Café wird unter der Führung des Vereins laufen – es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Und es ist abhängig davon, wie Leute Lust haben, sich daran zu beteiligen. Zielsetzung des ganzen Förderfonds ist es ja, das Leben in der Gemeinde zu mobilisieren. Und dafür möchte ich einen Raum schaffe. Und dafür habe ich auch sehr viel positive Resonanz.

Sie sagen also: Es ist eben gerade nicht mein privates Projekt?
Stöcker: Ja, genau. Einer muss die Sache halt in die Hand nehmen. Wenn ich das Objekt nicht gekauft hätte, wer weiß, vielleicht wäre es verfallen oder eingestürzt. Es geht immer um Zusammenarbeit. Und wenn der Staat das fördert, hat das nichts Schädliches an sich, im Gegenteil, es werden damit Möglichkeiten geschaffen, die der Gemeinde nutzen. Es ist ein Eigentum, das dem Gemeinwohl dient.

Für die Gemeinde selbst ist ein 85 Quadratmeter großer Gewölbesaal vorgesehen.
Stöcker: Das ist ein Teil des Stadels, der im ersten Bauabschnitt realisiert wird, und der von der Gemeinde für verschiedenste Veranstaltungen genutzt werden kann. Die Größe ergibt sich aus der Bausubstanz, aber für Veranstaltungen mit 100 Leuten ist das bestens geeignet.

In welcher Rechtsform soll das Museum nach ihrem Tod bestehen?
Stöcker: Noch stehe ich ja gut im Saft, darum stellt sich die Frage nach dem Tod noch nicht so drängend. Ich habe von vielen Seiten den Rat bekommen, eine Stiftung zu gründen, aber da muss ich mich noch informieren.

Werden Sie selbst dort wohnen?
Stöcker: Nein, das ist nicht geplant, ich wohne in einem anderen denkmalgeschützten Haus in Triftern, was mir bei dem jetzigen Projekt sehr zugute kommt.

Die Kritiker sagen: Scheitert das Projekt, dann muss die Marktgemeinde dem Freistaat die gesamte Fördersumme von über zwei Millionen zurückzahlen. Gefordert wird eine Rückerstattungsregelung, so dass sich die Frage stellt: Sind Sie bereit, diese Millionen zu übernehmen, wenn etwas schief geht?
Stöcker: Das werde ich sicherlich nicht können. Aber das ist auch Teil der fehlenden Informationen, denn schon bei der ersten Gemeinderatssitzung ist klar gesagt worden: Es gibt nur einen Grund für eine mögliche Rückerstattung, und das ist, dass die Nutzung des Hauses nicht erfüllt wird. Das heißt, dass ich auf irgendeine Weise Profit mache oder dass ich ein Altenheim draus mache – kurz: dass die Nutzung Kunst und Kultur nicht eingehalten wird. Und das ist doch mein ureigenstes Interesse, warum sollte ich da dagegen handeln?

Wäre doch möglich, dass Sie längt einen Vorvertrag mit einem privaten Altenheimbetreiber geschlossen haben?
Stöcker: (Lacht) Das wär was! Genau das darf ich nicht. Ich darf es höchstens verkaufen – aber auch der Käufer müsste dort Kunst und Kultur 25 Jahre lang anbieten, sonst muss er das zurückzahlen. Wie dieses Projekt "scheitern" könnte, ist mir ein Rätsel.

Wenn Kulturprojekte in die direkte Bürgerabstimmung gehen, verlieren sie oft. Denn es gibt immer genug Argumente, dass das Geld anderswo notwendiger gebraucht wird, etwa beim Hochwasserschutz, beim Sportplatz oder beim Schwimmbad.
Stöcker: Und genau dieses Argument zieht überhaupt nicht. Der Hochwasserschutz muss sowieso gebaut werden. Diese 200000 Euro werden ja nicht gegengerechnet für die Summe beim Hochwasserschutz. Man muss sich wirklich klar machen, wie wichtig Kunst und Kultur sind für die Attraktivität eines Ortes – dass man da gerne hinzieht, dass man sich wohlfühlt in seiner Heimat, in einem lebendigen Ort. Das Gefühl daheim zu sein wird auch gebildet durch Kultur – und durch historische Bausubstanz.

Was machen Sie, wenn die Abstimmung im März in Ihrem Sinne schief geht?
Stöcker: Das weiß ich noch nicht. Keine Ahnung. Wenn die Förderung scheitert und es für mich allein zu teuer wird, dann muss ich sehen, ob ich verkaufe und versuche, das anderswo zu realisieren. Es gibt noch keinen Plan B. Es wäre in jedem Fall ein großer Verlust für die Attraktivität nicht nur des Ortes, sondern ich wage zu behaupten für die Region.
Das Gespräch führte
Raimund Meisenberger.