Lars Eidinger in der Titelrolle
Eröffnung der Salzburger Festspiele mit "Jedermann"

18.07.2021 | Stand 20.09.2023, 6:45 Uhr
Georg Etscheit

Sensibel-kraftvoller Textdeutung: Lars Eidinger. −Foto: dpa

Selten in jüngerer Zeit war ein Salzburger "Jedermann"-Darsteller mit so viel Vorschusslorbeer überhäuft worden wie der Berliner Schauspieler Lars Eidinger. Doch die hohen Erwartungen waren berechtigt. Eidinger, der in zahlreichen Shakespeare-Rollen ebenso brilliert hat wie in der populären TV-Serie "Babylon Berlin", war einer der überzeugendsten "Jedermänner" seit langem und stellte seinen nuschelnden Vorgänger Tobias Moretti an darstellerischer Präsenz weit in den Schatten. Es gab Ovationen für den 45-Jährigen nach der Premiere zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2021, die am Samstagabend wieder einmal wegen Dauerregens im Großen Festspielhaus über die Bühne ging. Dass sich derselbe Regisseur zweimal hintereinander dasselbe Stück vornimmt, ist unüblich. Sturmingers Version von 2017 mit Moretti in der Titelrolle war die modernste aller Zeiten, mit viel Technik, wenig Glauben und zahlreichen Eingriffen in den Text. Im zweiten Anlauf korrigierte der Regisseur die meisten seiner Eingriffe und näherte sich nach einem unkonventionellen Beginn in auffallender Weise dem gravitätischen Duktus der Ursprungsinszenierung von Festspielgründer Max Reinhardt an.

Eidinger konnte sein Talent sensibel-kraftvoller Textdeutung voll entfalten und sparte dabei nicht mit offensivem Körpereinsatz, was seiner Begegnung mit der Buhlschaft, die zur Kurzhaarfrisur einen roten Hosenanzug trug, eine ungemein erotische Komponente verlieh. Ihr Abschied von Jedermann, dem sie nicht auf seine letzte Reise folgen möchte, wurde wortlos als Pantomime von Anziehung und Abstoßung zelebriert, eine starke Szene.

Mavie Hörbiger, Enkelin der österreichischen Theaterlegende Paul Hörbiger, als erster weiblicher Teufel der Festspielgeschichte fiel dagegen ab: Um dem Glauben wirklich Paroli zu bieten, fehlte ihr trotz beachtlichen Engagements der komödiantische Überdruck. Nach vier Jahren als bigotte Mutter verkörperte Edith Clever diesmal den Tod.

Georg Etscheit