Erhöhte Nachfrage
Entwurmungsmittel für Pferde gegen Corona? Das steckt dahinter

25.11.2021 | Stand 22.09.2023, 2:02 Uhr

Tiermedikamente gegen Corona? Keine gute Idee und unter Umständen sogar lebensgefährlich, warnen Experten. −Foto: dpa

Gerüchte um die angeblichen Corona-Heilkräfte des Entwurmungs-Medikaments Ivermectin führen zu erhöhter Nachfrage in Österreich. Das Robert-Koch-Institut und der bayerische Apothekerverband warnen vor der Einnahme.



Das Medikament Ivermectin wird in Impfskeptiker-Kreisen als Wundermittel gegen Corona angepriesen. Im Nachbarland Österreich bescheinigte FPÖ-Chef Herbert Kickl dem Medikament eine positive Wirkung während einer Covid-Erkrankung. Auch als Präventionstherapie zur Vorbeugung einer Infektion soll es angeblich helfen. Seitdem ist das Mittel im Nachbarland, laut den Berichten mehrerer Medien, mancherorts ausverkauft. Was zunächst nach einer guten Nachricht klingt, entpuppt sich als dubiose Fehlinformation aus dem Internet. Denn Ivermectin wird hauptsächlich in der Tiermedizin eingesetzt – als Entwurmungsmittel bei Pferden und Rindern.

Für Menschen ist die Einnahme eines hoch dosierten Tierpräparats extrem gefährlich, warnt das Robert-Koch-Institut (RKI). In niedriger Dosierung ist das Medikament zwar für die Behandlung von Parasiten bei Menschen zugelassen und in Apotheken rezeptpflichtig zu bekommen. Problematisch bleibt daran: Corona ist kein Parasit.

Woher stammt das Gerücht?

Das internationale Cochrane Netzwerk, ein von Ärzten gegründeter Zusammenschluss, der sich für wissenschaftsbasierte Entscheidungen im Gesundheitswesen einsetzt, sieht den Ursprung des Ivermectin-Gerüchts in einer Studie aus den frühen Tagen der Corona-Pandemie. In einer Laborstudie im April 2020 habe Ivermectin tatsächlich die Vermehrung von SARS-CoV-2 Zellkulturen hemmen können. Jedoch gelang dies nur im Reagenzglas und in einer enorm hohen Dosis, die für Menschen nicht einnehmbar ist. Trotzdem führten die Ergebnisse laut Cochrane dazu, dass sich Interessensgruppen für das Medikament stark machten - wohl auch aus finanziellem Interesse. In sämtlichen in der Folge durchgeführten Studien, in denen für Menschen verträgliche Dosen an Testpersonen eingesetzt wurden, erwies es sich allerdings als wirkungslos. Ivermectin habe "weder positive noch negative Auswirkungen auf die Corona-Erkrankung der Patienten gehabt", bilanziert eine Untersuchung des Medikaments aus dem Juli 2021, durchgeführt unter anderem an der Universitätsklinik Würzburg.

Aufsichtsbehörden warnen vor der Einnahme

Doch das Gerücht war in der Welt und verbreitete sich. Im September 2021 sah sich die US-amerikanische Medikamentenaufsichtsbehörde veranlasst, vor der Einnahme des Mittels zu warnen, als dort Fälle von schweren Nebenwirkungen bekannt wurden. Es wird explizit vor der giftigen Wirkung der Tierpräparate, die für mehrere hundert Kilogramm schwere Lebewesen ausgelegt sind, gewarnt. Selbst die für Menschen zugelassene Variante könne in Kombination mit Blutverdünnern oder falsch dosiert zum Tod führen.

In Deutschland führte das RKI seit Aufkommen der Corona-Krise Studien zur Wirksamkeit diverser Medikamente in der Behandlung von Covid-19 durch. Darunter auch Ivermectin. Die Ergebnisse der klinischen Studien mit 1678 Patienten waren auch hierzulande eindeutig: Es liegt "kein Hinweis auf eine Effektivität" vor. Im Gegenteil, es wird ausdrücklich vor den Nebenwirkungen bei unkontrollierter Anwendung, etwa einer zu hohen Dosis, gewarnt. Fieber, Hautödeme, Übelkeit, asthmatische Anfälle und Schädigungen des Embryos in der Schwangerschaft zählen dazu.

Keine erhöhte Ivermectin Nachfrage in Bayern

Anders als in Österreich ist Ivermectin in bayerischen Apotheken bislang kein Thema, sagt Thomas Metz vom bayerischen Apothekerverband im Gespräch mit der PNP. "Von unseren Mitgliedern wurde nicht an uns herangetragen, dass es eine erhöhte Nachfrage geben würde." So einfach wie in einigen anderen Ländern sei das Medikament im Freistaat auch nicht zu bekommen. "Es ist in ganz Deutschland rezeptpflichtig. Ein Arzt müsste es ihnen verschreiben, um es in der Apotheke überhaupt zu bekommen", so Metz. Dazu werde es aber nicht kommen, ist er überzeugt, da von dem Mittel keinerlei Wirkung im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung zu erwarten sei.

Dass die Thematik rund um Ivermectin im Nachbarland Österreich zu einem solchen Nachfragezuwachs führt, kann sich Metz nur aufgrund der medialen Aufmerksamkeit durch die Bemerkungen des FPÖ-Politikers erklären. "Vermutlich ist es dadurch ein Österreich spezifisches Thema und noch nicht im großen Stil bis zu uns in Bayern vorgedrungen", sagt Metz.