Fürstenzell
Ende der Ferkelerzeugung in Bayern?

02.11.2020 | Stand 21.09.2023, 0:13 Uhr

"Ich habe die Schnauze voll", fand Landwirt Manfred Aue aus Fürstenzell deutliche Worte, als Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber kürzlich seinen Betrieb besuchte. −Foto: Bäumel-Schachtner

"Die reine Ferkelerzeugung in Bayern ist gestorben. Ferkelverkauf will hier bald keiner mehr machen." So drastisch sind die Worte von Landwirt Manfred Aue aus Fürstenzell (Landkreis Passau). Genau in dieser Branche ist der 47-Jährige jedoch tätig. In den vergangenen Jahren hat er rund drei Millionen Euro in seinen Hof gesteckt, den er vor knapp 20 Jahren übernommen hat. Die Schulden zahlt er noch kräftig ab. Jetzt müsste er wegen der Auflagen der Politik in den kommenden 15 Jahren noch einmal bis zu 2,5 Millionen Euro investieren. "Das ist völlig utopisch, zumal ich nicht möchte, dass meinen Kindern ein Schuldenberg hinterlassen wird, so dass sie zwangläufig dazu gedrängt werden, den Hof zu übernehmen."

Manfred und Elisabeth Aue führen ihren landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit 350 Zuchtsauen und 1000 Schweine-Mastplätzen gemeinsam. Die Schweine werden regional vermarktet, die Abnahme ist da. Vier Abnehmer hat Manfred Aue für die Ferkel, und er arbeitet mit mehreren regionalen Metzgern. "Wir betreiben das, was wir tun, mit Herzblut", sagt seine Frau. Die drei Töchter Katharina, Veronika und Magdalena sind ebenfalls schon dabei, halten in einem kleinen Tierwohl-Stall drei Duroc-Schweine.

So einen Tierwohl-Stall könnte sich der Vater der Mädchen auch für den Rest seiner Tiere vorstellen. "Allerdings muss man halt auch darauf achten, dass eine Familie damit ernährt werden muss", gibt er zu bedenken. Überhaupt weiß er nicht, ob er mit der Ferkelproduktion weiter machen will und kann. "Ich habe mir schon ernsthaft überlegt, ob ich es mir ohne Ferkelstall leisten kann, weil ich die Schnauze voll habe", findet er deutliche Worte.

Der Grund für seinen Ärger und seine Zukunftsangst ist nicht nur der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) vor wenigen Wochen in Deutschland, der die Preise zusätzlich in den Keller gebracht hat. Sondern auch die Auflagen, die auf die Landwirte in den kommenden Jahren zukommen: "Sie werden immer höher." Aue meint damit baurechtliche und Tierschutz-Auflagen. Will er die erfüllen, muss er binnen der nächsten fünf Jahre den Deckbereich umbauen: "Kosten rund 1,2 Millionen Euro." Zusätzlich muss er innerhalb der nächsten 15 Jahren aber auch den Abferkelbereich anpassen – "dann sind wir schon bei 2,5 Millionen Euro Investitionskosten – wer soll das stemmen? Ein Familienbetrieb jedenfalls nicht."

Kaniber kritisiert "Verlogenheit der Verbraucher"
Die Familie Aue wirft der Politik vor, man treibe vor allem die kleineren und mittleren Betriebe in Bayern zum Aufgeben, die genau das produzieren, was so oft vom Verbraucher gefordert wird: regionales Fleisch. Das Ehepaar klagte, im Beisein von Vertretern der Politik und der Landwirtschaft, bei einem Besuch von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) an höchster Stelle ihr Leid. Kaniber sagte, sie könne die Besorgnis nachfühlen und ärgere sich selber über die "Verlogenheit der Verbraucher": Viele würden Tierwohl fordern, an der Supermarktkasse aber mit Billigfleisch anstehen.

Kostendeckende Schweinehaltung sei nicht mehr möglich, skizzierte Manfred Aue. Er müsse ein Ferkel für 47 Euro verkaufen, um rentabel zu sein, bekomme zurzeit aber nur 30 Euro und erziele nach momentanem Stand jährlich ein Defizit von 200000 Euro. Die Bauern kommen zusätzlich zur ASP auch durch die geänderten Vorgaben zur Kastenstandhaltung, zur Kastration und zum Kupieren unter Druck, nahm die Ministerin mit nach München.

Ministerin Kaniber setzt als Lösungsmöglichkeit auf eine Ausgestaltung der Investitionsförderprogramme von Bayern und dem Bund und nannte hier das Stallumbau-Programm der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die bayerische einzelbetriebliche Investitionsförderung und das bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft: "Dadurch sollen die Betriebe existenzfähig bleiben."

Erwartungen hat die Ministerin nach eigenen Worten auch in die Umsetzung der Vorschläge der Borchert-Kommission, die Empfehlungen zur Unterstützung einer zukunftsfähigen Schweinehaltung in Deutschland vorgelegt hat. "Diese Vorschläge bieten die Möglichkeit, mit einer Prämie mehr Tierwohl zu unterstützen", erklärt Kaniber. Sie machte der Familie Aue aber auch einiges ganz deutlich: "Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Ihr Betrieb in 20 Jahren noch so aussehen wird wie jetzt." Für den Landwirt heißt das: "Ich schlafe momentan manchmal wirklich sehr schlecht."