BMW R nineT
Ein Niederbayer mischt die Motorradwelt auf

27.06.2014 | Stand 27.06.2014, 14:09 Uhr

Roland Stocker hat gut Lachen – die BMW R nineT ist fürs Jahr 2014 fast schon ausverkauft. Hier legt der Projektleiter aus Niederbayern sein rassiges und extravagantes "Baby" in die Kurve. − Foto: Künstle

Alles ist anders an der BMW R nineT: Die Retro-Revolution auf zwei Rädern ist individueller und extravaganter, als man es vom Marktführer kennt und erwartet. Modernste Technik steckt drin, klassisches Design und traditionelle Komponenten erinnern an die eigene Historie. Zweieinhalb Jahre lang haben Überzeugungstäter das neuartig-klassische Bike entwickelt, unter der Führung von Projektleiter Roland Stocker, einem gebürtigen Niederbayern.

Mit der R nineT könnte BMW Geschichte schreiben. Selten spricht ein neues Motorrad unterschiedliche Fahrertypen derart emotional an, wie das Jubiläumsmodell. Zur designerischen Hommagé an 90 Jahre BMW Motorrad gehört ein blau-weißes Propeller-Logo im spartanischen Stahl-Scheinwerfer ebenso wie der Alutank mit blankgebürsteten Flanken. Oder der luftgekühlte Boxermotor, samt Kardan seit 1923 der klassische BMW-Antriebsstrang.

Boxer-Brabbeln und kein FirlefanzUnd der Motor hat es in sich. Mit 110 PS und der satten Schubkraft von 119 Nm Drehmoment treibt er die nostalgische Fuhre so kraftvoll voran wie ein grantiger Mastochse. Und so brüllt er auch, denn sein Klang entweicht durch Auspufftüten vom Soundtüftler Akrapovic. Das sonore Boxer-Brabbeln ist genau der richtige Soundtrack zum puristischen Café Racer ohne Verkleidung und jeglichen Firlefanz. Überhaupt passt der Motor ideal zur Maschine: Sattes Drehmoment, niedriger Schwerpunkt und klare Optik. Dank kurzer Übersetzung eilt die R nineT in nur 3,6 Sekunden von null auf hundert. Das passt ideal für die Viertelmeile-Sprints, die in der so genannten Café-Racer-Szene beliebt sind.

Dass BMWs Nostalgie-Roadster hier besonders gut ankommt, könnte am geistigen Vater liegen: Roland Stocker lebt vor, für wen das schwarz-silberne Schmuckstück gedacht ist. In Karohemd, Lederjacke und mit Halbschalenhelm auf dem Pferdeschwanz strahlt er genau jenen Lebensstil aus, in den die R nineT haargenau passt. Emotionaler Hochgenuss geht hier vor – ganz im Gegensatz zur sicherheits- und komfortorientierten Klapphelmfraktion, dem alten Klischee vom BMW-Kunden.

Roland Stocker arbeitet bei BMW Motorrad in München. Doch seinen Lebensmittelpunkt hat der Retro-Revoluzzer bei Passau. Genauer: in Salzweg. Noch genauer: in Judenhof. "Ich genieße es, unter der Woche in der großen Stadt zu arbeiten und am Wochenende auf dem Land in Judenhof sowie in der überschaubaren Stadt Passau zu leben." An der Dreiflüssestadt gefällt ihm die Grenzlage, die ebenso andere Einflüsse bringt wie die vielen jungen Studenten hier. Motorradtouren führen ihn und seine Kumpels oft über die Grenze nach Österreich. Ein passionierter Grenzgänger ist er auch als Motorrad-Bauer, lässt sich beeinflussen von modernster Hightech und gleichzeitig von klassischem Bike-Design.

Stocker und seine Mannschaft sind leidenschaftliche Biker. Und die geben auch im übertragenen Sinn Gas – Urlaubssperren und Überstunden inbegriffen. Die R nineT als Ergebnis ihrer intensiven Arbeit machtInspirationsquelle Passau-Kohlbruck Stocker stolz. Inspiration holt er sich in der Werkstatt "Hangar" in Passau-Kohlbruck. "Hier pflegen wir unsere Leidenschaft für Motorräder von BMW, Harley-Davidson, Triumph aber auch aus Japan. Und hier bekomme ich wertvolle Anregungen von Spezln, die nicht alles durch die BMW-Brille sehen. Da hörst du zu deinen Ideen die ungeschminkte Wahrheit," sagt er und setzt sein charakteristisches Lausbubengrinsen auf.

Damit wickelt er alle um den Finger: alte BMW-Kunden, die sich erst mit dem eigenwilligen Charisma der R nineT anfreunden müssen, neue Kundschaft von Fremdmarken. Und vor allem: Die eigene Führungsriege. Die stand allerdings ohnehin voll hinter dem mutigen Projekt – und zwar spätestens, nachdem 2008 eine Studie namens "Custom Concept" Euphorie hervorgerufen hatte. Diese Welle der Begeisterung schlägt auch heute der R nineT entgegen. Roland Stocker und seine Mitarbeiter hatten mit sehr vielem offenbar den richtigen Riecher. Kein Wunder: Überzeugte Biker wissen eben, was potenzielle Kunden wollen. Oder wie Stocker selbst sagt: "Hinter allem steckt ein positiver Wahnsinn. Der Wahnsinn Motorrad."