"Erotik ohne Geist ist unmöglich"
Ein Gespräch mit der Münchner Autorin Eva Gesine Baur

21.11.2017 | Stand 21.11.2017, 6:00 Uhr

Eva Gesine Baur ist gerade auf Lesereise mit ihrem Buch über Marlene Dietrich, der Inkarnation von Erotik. − Foto: Michael Leis

Eva Gesine Baur gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellerinnen Bayerns. Ihre Themen sind fiktionale Literatur und Kulturhistorie. Dabei begibt sie sich gerne auf die Spur von bekannten Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Mozart oder Schikaneder. Sie schreibt auch unter dem Namen Lea Singer. Erotik spielt in all ihren Büchern eine wichtige Rolle. Anlässlich des Endspurts der Ausstellung "Boterosutra" im Museum Moderner Kunst Passau haben wir uns mit der Autorin unterhalten.

Kann erotische Kunst nicht nur den Zeitkontext und Hintergründe erhellen, sondern auch etwas zum Nachdenken über die Mann-Frau-Beziehung beitragen?
Eva Gesine Baur: Die Pin-up-Girls eines Rubens, so grandios sie gemalt sind, locken heute die wenigsten Männer. Was wir sexuell attraktiv finden, ist an den Zeitgeschmack, an Moden gebunden. Das führt auch die Kunst vor. Erotik ist jedoch zeitlos, weil es dabei eben nicht um die anatomischen Details geht. Die größte erogene Zone lässt sich nicht anatomisch verorten: Sie nennt sich Seele. Wer die animieren will, braucht Qualitäten, welche sich nicht in Zentimetern messen lassen. Casanova ging nach eigener Aussage mit keiner Frau ins Bett, deren Sprache er nicht sprach und betrieb Verführung als Gesamtkunstwerk, wie seine Tagebücher belegen. Erotische Kunst kann uns nicht nur die Augen, sie kann uns die Sinne öffnen.
Was macht erotische Kunst aus, was kennzeichnet ihre Meisterwerke?
Baur: Im Gegensatz zur Pornografie ist erotische Kunst nie eindeutig, sie ist immer vieldeutig. Pornografie erklärt sich von selbst, erotische Kunst meistens nicht. Wir haben heute verlernt, Bilder zu lesen. Wenn auf einem niederländischen Ständeporträt des 17. Jahrhunderts die Herren in schwarzer Seide und weißen Krägen kollektiv Austern schlürften, hieß das kurz gesagt Gruppensex, denn die Auster symbolisierte das weibliche Geschlecht. Wenn auf Genreszenen dieser Epoche Vögel oder Hühner gerupft werden, ist damit Geschlechtsverkehr gemeint. Vor allem aber besitzt Erotik eine philosophische Tiefendimension. Sex ohne Geist, kein Problem. Erotik ohne Geist ist unmöglich.

Mehr zum Thema lesen Sie am 21. November in der Passauer Neuen Presse.
Edith Rabenstein