Donauschwaben erinnern an die Flucht

Vor 75 Jahren flohen die Donauschwaben vor dem Krieg – In Garching fanden viele von ihnen eine neue Heimat

15.11.2019 | Stand 15.11.2019, 4:00 Uhr

Diese Aufnahme aus einem Flüchtlingslager in Österreich stammt aus dem Nachlass der Futokerin Veronika Barth. Das Bild zeigt Eva Barth, geborene Dettling (links). Wie die Kinder und die zweite Frau hießen, ist nicht bekannt. Eva Barth wanderte später nach Amerika aus. Das Bild aber blieb als Zeitdokument bei ihrer Familie in Garching. −M. Barth

Garching. An ihre Flucht und Vertreibung vor 75 Jahren erinnern die Garchinger Donauschwaben am Samstag, 16. November, um 14 Uhr im Pfarrsaal in Wald/Alz. Heimatforscherin Maria Pfundstein wird dazu auch einen Bildervortrag präsentieren.

Sie hat die Geschichte über die Flucht der Donauschwaben nachrecherchiert: Diese begann am 9. und 10. Oktober 1944, als zwei große Trecks aus Futok an der Donau in der Batschka im heutigen Serbien auf Befehl des dortigen deutschen Militärkommandos aufbrachen, da die Front immer näher rückte. Zu Beginn der Flucht waren es 134 Wagen mit 876 Personen, die sich unter Leitung ihres Bürgermeisters Josef Klingler auf den Weg machten. Der Fluchtweg wurde so gewählt, dass große Berge umgangen wurden.

Über Ungarn und den Plattensee erreichten die Flüchtlinge schließlich am 11. November 1944 den Kreis Eisenstadt im Burgenland. Dort wurden sie auf Gemeinden verteilt und fanden Unterkunft für sich und für 215 Pferde. Am 30. März 1945 erhielt die Gruppe wieder einen Marschbefehl nach Westen und zog weiter. Am 17. April erreichten die Flüchtlinge Bayern und fanden Aufnahme im Landkreis Altötting.

Eine wahre Odyssee erlebten derweil die Futoker Kinder: Wer zwischen sechs und 14 Jahre alt war, sollte zuerst evakuiert werden. Frauen gingen von Haus zu Haus und überredeten die Eltern, ihre Kinder mit Proviant für drei Tage zum Treffpunkt am Kinderheim zu schicken.

Dort wurden zwei Gruppen gebildet: Beim ersten Transport fuhren die Kinder mit einem Bus. Nur zwei 16-jährige Soldaten begleiteten sie. Als der Bus eine Reifenpanne hatte und kein Reservereifen zur Verfügung stand, requirierten die Soldaten Wagen und Pferde. Die älteren Kinder mussten die Gespanne lenken. Schließlich erreichten sie auf Umwegen Sombor und fuhren mit dem Zug weiter nach Baja in Ungarn. Niemand kümmerte sich um sie. Ihre Verpflegung mussten sie sich erbetteln. Die beiden Soldaten waren zu ihrer Einheit zurückgekehrt.

Unterwegs bot das Rote Kreuz den Kindern Essen an. Mit der Bahn über Kaposvar und Graz kamen sie schließlich bis zur Burg Rothenfels in Franken. Dort konnten die Eltern sie aus einem Lager abholen.

Den zweiten Kindertransport unter der Leitung der Kindergärtnerin Käthe Einz begleiteten drei Frauen sowie eine Militäreskorte. In Gajdobra war die Evakuierung mit der Bahn nicht mehr möglich, weil die Schienen in Richtung Sombor in die Luft gesprengt worden waren. Die Fuhrwerke luden die Kinder in Palanka ab und kehrten nach Futok zurück. Die Kinder wurden mit Schleppkähnen weiterbefördert.

Nach acht Tagen erreichten sie schließlich Budapest. Auf der anschließenden Fahrt mit dem Zug durch die Tschechoslowakei starb eine der Begleiterinnen. Die Kinder, es waren noch 144, wurden schließlich mit ihren Betreuern in Kamenz in der Lausitz abgeladen. In Bad Marienborn wurden sie in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Kohlebergwerks untergebracht. Kätze Einz kämpfte auf jedem Schritt des Weges für ihre Kinder um Unterkunft, Nahrung und medizinische Hilfe . Die Futoker bedankten sich dafür später mit einer Urkunde.

Die tägliche Verpflegung war sehr karg. Die Gruppe blieb von Oktober bis April in Kamenz. Käthe Einz konnte nun Kontakt mit den Familien aufnehmen. Sie brachte einige Kinder nach Rothenfels, andere zu den Verwandten nach Wien, andere nach Schlesien. Viele wurden von den Müttern oder Verwandten abgeholt. Ältere Kinder verließen die Gruppe, sobald sie wussten, wo ihre Verwandten waren.

Im März mussten sieben Jungen in die Hitlerjugend eintreten, um Panzerschutzgräben zu schaufeln. Am 20. April verließen sie Marienborn zu Fuß. Eine Gruppe russischer Soldaten nahm ihnen während des langen Marschs ihr Hab und Gut ab, darunter auch die Liste mit den Namen der Kinder. In der amerikanischen Zone angekommen schlugen Soldaten vor, sie sollten sich als Soldaten ausgeben, um Verpflegung zu erhalten. So kamen sie in ein Kriegsgefangenenlager. Schließlich wurden sie aus der Gefangenschaft entlassen. Ihre Odyssee endete in Bayern.

Das letzte Kind , das in Kamenz geblieben war, wurde adoptiert, fand aber neun Jahre später seine Eltern in Garching wieder.

− red