Bodenmais
Die Heilig-Geist-Taube in der Glaskugel

17.05.2018 | Stand 20.09.2023, 22:09 Uhr

Heiliggeist-Kugeln sind eine Spezialität des Bodenmaiser Holzschnitzers Joachim von Zülow. − Fotos: Arweck

Am 50. Tag der Osterzeit, also 49 Tage nach dem Ostersonntag, feiern die Christen das Pfingstfest mit der Entsendung des Heiligen Geistes. Eine Besonderheit der Darstellung des Heiligen Geistes in Form einer Taube ist die Heilig-Geist-Kugel, die handwerklich geschickte Künstler früherer Zeiten schon herstellten. Einer der wenigen, die diese Heilig-Geist-Kugeln in aufwändiger Handarbeit heute noch herstellen, ist der "Herrgottschnitzer von Bodenmais", Joachim von Zülow.

Durch eine nur wenige Zentimeter große Öffnung wird die geschnitzte Taube in einer mundgeblasenen Glaskugel eingebaut, "eingerichtet", wie der Fachmann sagt. Dabei können Größe und Form der Glaskugel und somit auch der Taube variieren.

In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass der Heilige Geist in Gestalt von Feuerzungen auf die Apostel und die Jünger herabkam. "Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder."
Sich den Heiligen Geist vorzustellen, war für die Menschen schon immer schwierig. Wie sollte auf Glas, Wänden und Stoff etwas gezeigt werden, was eigentlich nicht zu sehen ist? Zumal in der Pfingstgeschichte nur von "Zungen wie von Feuer" die Rede war. Künstler haben für den Heiligen Geist schon früh das Bild einer weißen Taube gefunden, denn schon in der Antike stand die Taube für Sanftmut und Liebe. Zudem gibt es in der Bibel die Erzählung, in der die Taube vorkommt. Demnach öffnete sich nach der Taufe Jesu im Jordan der Himmel.

Der Geist Gottes soll in Gestalt einer Taube herabgekommen sein.
Weil also die Künstler den Heiligen Geist als Taube zeigten, hat sie als Symbol des Heiligen Geistes auch im Brauchtum und in der Volkskunst Einzug gehalten. So wurden an Pfingsten früher oft lebende Tauben in der Kirche freigelassen. In anderen Gotteshäusern war es eine hölzerne Taube, die durch eine Öffnung in der Kirchendecke herunterschwebte.
In einem ersten Arbeitsgang schnitzt Joachim von Zülow den Körper der Taube und sämtliche dazugehörenden Teile wie Flügel, Schwanzfedern und Strahlenkranz. Letztere bestehen aus je einem, in dünne Schichten geschnittenen und dann aufgefächerten Stück Holz. Mit Pinzette und selbst gefertigten kleinen Haken sowie einem Dübel richtet er die Einzelteile in der Glaskugel ein. Passt alles, nimmt er sie wieder heraus. Sie werden bemalt oder auch vergoldet. Die Glaskugel wird nochmals gereinigt, dann erfolgt der endgültige Einbau. Die Einzelteile werden miteinander verleimt.
Hier ist echte Handarbeit vonnöten, vor allem Fingerspitzengefühl vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt, sagt Joachim von Zülow. Dass alle Holzteile, die sich in der Glaskugel befinden, handgeschnitzt sind, versteht sich von selbst. Die verwendeten Glaskugeln stammen aus den umliegenden Glaswerkstätten. So ist die Verbindung von Glas und Holz, den vorherrschenden Naturprodukten des Bayerischen Waldes, sichtbar.
Holzbildhauer Joachim von Zülow weiß zu berichten, dass die Fertigung von Heilig-Geist-Kugeln im Bayerischen Wald weit zurückreicht. Glaser sind damals noch auf die "Stör" gegangen, haben Glasscheiben ins Haus gebracht und Fenster eingeglast. Von daheim hatten sie fertige Heilig-Geist-Kugeln mitgebracht, die von den Glasbläsern und Schnitzern gefertigt worden waren. Die mitgebrachten Heilig-Geist-Kugeln boten sie nun den Hausleuten, meist Bäuerinnen, zum Kauf an. Für die Glaser war es ein Zubrot, für die Bäuerin oder Hausfrau ein zusätzlicher Schmuck für die Bauernstube und zugleich ein besonderes Segenszeichen.
Ihren Platz fand die Heilig-Geist-Kugel im Herrgottswinkel oder meist an der Stubendecke über dem Esstisch. Wurde nun beim Essen die Suppe aufgetragen, so stieg die feuchtwarme Luft aus der Suppenschüssel auf, das Wasser kondensierte am kühlen Glas und tropfte zurück in die Suppe. So gab man im Volksmund der Glaskugel, speziell aber der darin befindlichen Heilig-Geist-Taube die derbe Bezeichnung "Suppenbrunzer".
In der Schnitzerwerkstatt von Joachim von Zülow hat man in der Folge die Heilig-Geist-Kugel "weiterentwickelt", das heißt, statt der Taube werden einzelne Motive des Kirchenjahres wie etwa die Geburt Christi, die Verkündigung, die Auferstehung oder Mariä Krönung in der Glaskugel eingerichtet, daneben aber auch weltliche Darstellungen wie Glashütte, Bergwerk, Handwerksberufe oder Brauchtum wie der Kötztinger Pfingstritt. Dass alle eingebauten Teile aus Holz geschnitzt sind, braucht nicht eigens betont zu werden.
Die Heilig-Geist-Kugeln waren und sind eine "Spezialität", wie sie nur im Bayerischen Wald angefertigt wurden. Viel schöner und vor allem origineller drückt es Joachim von Zülow in der waidlerischen Mundart aus: "An Suppenbrunzer hot ma nur im Woid gmocht, nirgends anderst, a ned im Böhm."

− ja