Der Unbequeme

12.02.2020 | Stand 20.09.2023, 6:02 Uhr

Johann Meier (59) ist Landwirt aus Ottenberg bei Tettenweis. Er baut Mais, Zuckerrüben und Weizen auf über 1000 Hektar Fläche an. Bis 2011 war er Ortsvorsitzender der CSU. Vergangenes Jahr trat er bei der AfD ein und setzte sich als Landratskandidat gegen den favorisierten Oskar Atzinger durch. −Foto: Jörg Schlegel

Tettenweis. In seinem Bauernhof gegenüber der Kirche sitzt Johann Meier am Esstisch. Vor ihm dampft der Kaffee, seine Frau hat extra Kuchen gebacken. Der Landratskandidat für die AfD spricht bedächtig, die Augen meist auf die Tischdecke gerichtet. Er redet darüber, dass er sich benachteiligt und ausgegrenzt fühlt: von anderen Landwirten, von der EU, von der CSU. Überhaupt.

"Ich bin Landwirt seit ich denken kann", sagt Johann Meier. Er besitzt 100 Hektar Ackerland, über 1000 Hektar hat er gepachtet, in zwölf Landkreisen in Nieder- und Oberbayern, erzählt er. Er baut Mais an, Zuckerrüben, Weizen, Sonnenblumen. "Verschiedene Bauern mögen mich nicht. Das ist aber hauptsächlich der Neid. Die meinen, dass ich die Pachtpreise kaputt mache. Das stimmt aber nicht, das machen die Biogasanlagen, die vom Steuerzahler mit 1100 Euro pro Hektar subventioniert werden." Zwei Angestellte hat er eingestellt, zusätzlich beschäftigt er Leute über den Maschinenring. Den Winter nutzt er für Reparaturen an seinen Traktoren, Anbauplanungen und die Maistrocknung. Seine Frau erledigt die Buchführung. Soweit das Geschäftliche.

Über sich selbst zu reden, behagt ihm nicht. Zu politisieren und Stammtischparolen eher: "Ich habe sehr viele Zuckerrüben. Wir sind dem Weltmarkt ausgeliefert – andere EU-Länder kriegen Hektarzahlungen, nur Deutschland und Frankreich nicht. Das sind Wettbewerbsverzerrungen. Von unserer schönen Landwirtschaftsministerin haben wir keinerlei Unterstützung. Null."

Seine Frau – er nennt sie "Mutti" – schenkt Kaffee nach und zeigt ein Foto, auf dem sie 2002 bei der Hundertjahrfeier Festmutter der Feuerwehr Unterschwärzenbach war, neben ihr auf dem Foto steht CSU-Landrat Franz Meyer. "Da Franze", wie Johann Meier ihn nennt. Da hatte er sich noch nicht mit der CSU überworfen.

Gemeinderat oder Kreisrat war er zwar nie, doch bis März 2011 war Johann Meier CSU-Ortsvorsitzender in Tettenweis. "Dann kamen drei Dinge an einem Tag zusammen", kündigt er an. Erstens: "Wir haben in Zuckerrüben, Lieferrechte, Ethanol investiert, doch der CSU-Minister schrieb damals in der Zeitung, das gehört wieder weg." Zweitens: Bei der Zuckerrübenernte in der Gemeinde Kirchham "wurden Feldwege in Mitleidenschaft gezogen". Soll heißen: Seine Traktoren haben Feldwege beschädigt. "Ich wurde als der böse Pächter dargestellt, bekam Androhungsbriefe von der Gemeinde, ich sollte die Wege wiederherstellen." Doch vor dem Frühjahr wollte er sich nicht darüber machen – "die Gemeinde baut im Winter ja auch keine Straßen". Das Drittens vergisst er.

Dass er jetzt als Landratskandidat für die AfD antritt, hat auch mit der CSU zu tun, der er entgegentreten will, er wirft ihr Arroganz, Postengeschacher vor, bezeichnet sie als "schwarze Mafia".

Als "gigantisch" hingegen hat er 2018 den Politischen Aschermittwoch der AfD in Osterhofen erlebt – die Stimmung, so viele Leute. Noch vor Ort nahm Johann Meier Kontakt zu AfD-Politikerin Katrin Ebner-Steiner auf, baute in der Folge den Kreisverband mit auf. Im November 2019 setzte er sich in einer Abstimmung gegen den favorisierten Oskar Atzinger als Landratskandidat durch. "Die Partei wollte jemanden aus dem südlichen Landkreis", sagt er nur.

In die Nazi-Ecke gestellt zu werden gefällt ihm nicht. "Damit habe ich nichts am Hut." Er macht eine kurze Gesprächspause. Dann: "Die Migranten werden jetzt in der Nacht mit dem Flugzeug eingeflogen, damit es nicht medienwirksam ist. It’s enough." Das englische Zitat hat er aus einer Fernsehfolge von ZDF-Traumschiffskapitän Sascha Hehn übernommen, erklärt er.

"Ich glaube nicht wirklich an den menschengemachten Klimawandel", führt er weiter aus. "Denn CO2 ist gar nicht so giftig. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre hat sich um nur 0,01 Prozent in den letzten 150 Jahren erhöht, seit der Industrialisierung. Vor 300 Millionen Jahren, vor den Dinosauriern, war die Konzentration bei acht Prozent, und jetzt soll das schlimm sein, wenn es um 0,01 steigt." Woher er das weiß? Über Themen wie den Klimawandel informiert er sich bei AfD-Leuten, er nennt Professor Ingo Hahn und Martin Sichert. "Das sind top gebildete Leute", versichert er.

Nach seinen Hobbys gefragt, beginnt er wieder über das Weltgeschehen zu reden. Er bezeichnet Elektroautos als die "größte Umweltvernichtungsaktion der Geschichte"; E-Tankstellen an Autobahnraststätten als die "neue Perversion"; er preist neue Atomkraftwerke an, bei denen es keinen Atommüll mehr gebe. "Das hat uns Martin Sichert gesagt und es stimmt wirklich." Weiter: "Ich glaube seit gestern, dass dieser Elon Musk mit seinen 12000 Satelliten, ich möchte nicht sagen, unser Untergang ist." – "Du warst fei jetzt bei deinen Hobbys", mahnt ihn seine Frau. Also: Natursendungen. Wellnessurlaub, im Sommer eine Woche ins Zillertal. Geschichtsbücher lesen.

Bis vor Kurzem besaß er eins dieser großen Handys mit Tasten. Im Wahlkampf legte er sich ein Smartphone zu. Seit November 2019 hat er eine eigene Facebookseite, mit etwas über 300 Followern – obwohl er kein Fan des Digitalen ist. "5G, da sind wir dagegen. Man muss mal aufhören bei so einer Entwicklung. It’s enough", findet er. Wenige Likes finden sich unter jedem Beitrag, am konsequentesten drückt er selbst auf den "Gefällt mir"-Knopf und kommentiert die eigenen Beiträge. Nein, nicht er selbst, erklärt Johann Meier. "Die Facebookseite macht mir Ralf Stadler, sowas braucht man ja zwangsläufig." Am Wochenende will er selbst mal auf die Seite schauen.