Passau
Demonstranten versuchen sich gegenseitig zu übertönen

14.03.2021 | Stand 22.09.2023, 1:01 Uhr
Bernhard Brunner

Bei der Kundgebung von Franz Stemmer (r.) und bei der Gegendemo dahinter wurden Maskenpflicht und Mindestabstände eingehalten. −Foto: Brunner

Die Lautsprecher und deren Schall auf beiden Seiten eines mit Bauzäunen geschaffenen Korridors im Klostergarten sind bei der Anti-Corona-Maßnahmen-Demo und der Gegen-Kundgebung am Samstag aus Sicht der Polizei das einzige Problem gewesen. Immer wieder mussten Beamte nach Phon-Messungen die jeweiligen Organisatoren zur Einhaltung des vereinbarten Maximalwertes von 85 db mahnen, um die Redner gegenüber bei ihren Ansprachen nicht zu stören.

Während Franz Stemmer den politisch Verantwortlichen die Covid-19-Maßnahmen und damit ein Geschäft mit der Angst samt Schädigung der sozialen Gesundheit vorwarf, plädierten die Kontrahenten um ihren Kopf namens "Max" dafür, den Stecker zu ziehen.

Kräfte der Polizei Passau waren zusammen mit einem Zug der Bereitschaftspolizei Nürnberg rund um das Gelände postiert, mit Lautstärke-Messgeräten und Kameras ausgestattet. "Wir hoffen, dass alles ruhig und friedlich abläuft", bekundete Polizeioberrat Christian Dichtl und erklärte, die Einhaltung der Maskenpflicht würde stringent überwacht. "Jeder ohne Maske wird von der Polizei angesprochen", versicherte der Einsatzleiter und verwies auf die penibel genaue Überprüfung von Personen, die auf Ausnahmen pochen, Mund und Nase bedecken zu müssen.

Beiderseits hielten sich die Demonstranten – nach Polizeiangaben bis zu 80 um Franz Stemmer aus Haag in Oberbayern und bis zu 50 in der Gegnerschaft vor dem Nikola-Kloster – an die Auflagen. Eine weitere Gegenveranstaltung war kurzfristig abgesagt worden, wie Christian Dichtl mitteilte. Bei den jeweiligen Anmeldungen habe man bis zu 200 Teilnehmer pro Gruppierung erwartet. Die vom Polizeisprecher zu Beginn geäußerte Hoffnung erfüllte sich. Kurz nach 14.30 Uhr erklärten die Organisatoren, die ihr Publikum mehrmals zur Berücksichtigung der gesetzlichen Pandemie-Vorgaben aufgerufen hatten, nahezu zeitgleich die Aktionen für beendet.

Theatralisch hatte Franz Stemmer, als Veranstalter mehrerer Anti-Corona-Demos in der Vergangenheit bereits bekannt, den Auftakt seiner Kundgebung inszeniert, indem er sich die rechte Hand aufs Herz legte, als eine Sängerin aus der Konserve Kritik an der Politik so formulierte: "Sie wollen uns unsere Würde nehmen." Zu hören gab es zwischen den Redebeiträgen – auch aus dem Publikum – bekannte Songs der Austro-Pop-Gruppen STS und Erste Allgemeine Verunsicherung mit abgewandelten Texten, in denen die Corona-Einschränkungen massiv angeprangert werden.

Ein Jahr Corona bedeute eine weitere Spaltung der Gesellschaft, Ablenkung und Angst, skandierte eine Spontan-Rednerin, die sich als Lehrerin ausgab und zuvor gestenreich zu den eingespielten Melodien auf der Wiese getanzt hatte. "Aufklärung vor Zensur, Gerechtigkeit vor Kapital", forderte sie und erntete damit Applaus von den Umstehenden. Die Frau wetterte dagegen, dass ihrer Ansicht nach Leute, die sich an der frischen Luft ohne Maske aufhielten, kriminalisiert würden. Franz Stemmer wies Behauptungen zurück, Kundgebungen wie die in Passau würden zu einer höheren Inzidenz führen. Vorsichtig zeigte er sich in seiner Wortwahl gegenüber den Medien. Bewusst sprach er nicht von "Lügenpresse", sondern von "Lückenpresse", womit er das Weglassen von Fakten meinte.

Ein weiterer Sprecher erinnerte an die "Einwanderungswelle" von 2015, bei der die Politik "nicht im Sinne des Volkes" gehandelt habe. Doch jetzt könne man wegen Corona plötzlich die Grenzen schließen. Die Regierenden säten "Zwietracht im deutschen Volk". Dazu wurden von der Gegenseite – laut vorab veröffentlichter Pressemitteilung ein lokales Bündnis aus Rundem Tisch gegen Rechts, Juso-Hochschulgruppe, Juso-Stadtverband, Grünen-Hochschulgruppe, Grüner Jugend, Linke.SDS, Liste der unabhängigen kritischen Student/innen (LUKS), Ende Gelände Passau, dem Dokumentationsprojekt "linksrum geschwurbelt", der antifaschistischen Gruppe NullAcht51 und dem Zentrum für ambulante Kultur und Kommunikation ZAKK – vereinzelte Zwischenrufe laut.

Stemmer und seinen Sympathisanten unterstellten die Kontrahenten auf ihren Transparenten vor allem eine Nähe zu Nazis und Antisemiten. "Fight AfD" und "Solidarität gegen rechten Terror" war an der Absperrung zu lesen, während gegenüber ein Teilnehmer als wandelnde Litfaßsäule umherging, auf der geschrieben stand: "Es gibt keine Pandemie! Die Medien lügen! Warum lasst ihr euch so verarschen?" Zufrieden zeigten sich am Ende beide Seite mit dem Echo. "Momentan sind es 50 zu 50 Personen", bilanzierte der erwähnte Max von der Gegen-Demo eine Viertelstunde vor dem Abzug.