Passau/Heidelberg
Cranach-Forscher: Darum hat er das LKA informiert

20.11.2014 | Stand 20.11.2014, 21:34 Uhr

Kunsthistoriker Dr. Michael Hofbauer in seinem Forschungszentrum. − Foto: Friederike Hentschel

Der Diplom-Designer und Kunsthistoriker Dr. Michael Hofbauer aus Heidelberg hat die Sonderermittler für Kunst des Bayerischen Landeskriminalamts auf Christian Goller wegen mutmaßlich gefälschter Lucas-Cranach-Gemälde aufmerksam gemacht, wie wir berichteten. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Forschungsdatenbank cranach.net mit virtuellem Institut cranach research institute (cri) der Universitätsbibliothek Heidelberg. Der 53-Jährige, der "aus der Praxis" kommt und wissenschaftlicher Illustrator von Schulbüchern- und -tafeln war, hat über die Zeichnungen von Lucas Cranach an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart promoviert. Die PNP unterhielt sich mit ihm.

Sie haben sich seit 2007 mit dem Thema Cranach und Goller beschäftigt. Was ist die Motivation?

Dr. Michael Hofbauer: Mir ist es wichtig, dass unser Forschungsprojekt sauber arbeitet. Erst durch die Zusammenstellung und den Vergleich der Arbeiten ist es gelungen, Goller-Werke herauszukristallisieren. Ich bin kein Kriminaler. Ich will auch Herrn Goller persönlich nicht zu nahe treten. Mir geht es um die Auswirkungen, die dieses Verhalten auf den Kunstmarkt und die Kunstgeschichte hat. Sie können davon ausgehen, dass ich kein "Selbstmörder" bin und alles nach bestem Wissen wissenschaftlich geprüft ist.

Wann sind Sie erstmals mit Christian Goller konfrontiert worden? Hofbauer: Seit 2006 beschäftige ich mich mit fast nichts mehr andrerem als mit Werken von Lucas Cranach. Da stolpert man unweigerlich irgendwann über merkwürdige Werke, über deren Urheberschaft gemunkelt wurde. Viele, auch aus der älteren Generation, haben aber den Namen Goller gekannt und schon gewusst, dass er in der alten Technik arbeitet. Es ist nicht alles auf meinem Mist gewachsen. Aber keiner hat gesagt: Das ist ein Goller. Ich habe nur alles zusammengetragen und ausgewertet.

Hat er Sie persönlich versucht zu täuschen? Mit welchem Werk?

Hofbauer: Persönlich kenne ich Christian Goller nicht. Ich bin 2008 über eines seiner Werke mit ihm in Kontakt gekommen, ein Knabenbildnis. Ich habe das Bild erstanden und eine Infrarot-Reflektografie gemacht. Da hat sich gezeigt, dass das Gemälde sogar eine Unterzeichnung hat − mit eben diesen Sichelhäkchen, die typisch sind für Lucas Cranach. Für dieses Bild gab es sogar ein Gutachten, das sich u. a. auch auf die Farbe "Bleizinngelb" im Haar bezog, eine Farbe, die seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr verwendet wurde. In dem Gutachten steht auch, dass es keine Fälschung aus dem 19. oder 20. Jahrhundert sein konnte. Die Zeichnung dazu befindet sich Louvre.

Und doch: Im Vergleich mit dem Bildnis "Georg Spalatin" in der Gemäldesammlung von Leipzig, auf dem dieselbe Schaupe (Umhang) wie auf meinem Bild zu sehen ist, wurde mir klar: Irgendetwas stimmt bei diesem Bildnis nicht. Ich bin Goller quasi auf dem Leim gegangen, aber auch wieder auf dem Leim davon gekrochen. Wir haben auf den von mir erstandenen Bild Firnis und Retouchen abgenommen und festgestellt, dass der Malrand nicht stimmt und auch die Risse nicht mit dem Holzprofil übereinstimmen. Da kamen Zweifel auf.

Dazu kam ein "Melanchton-Bildnis", das bei Neumeister in München 2011 aufgetaucht ist. Es sollte von 1543 sein. Es ist identisch mit einem "Knabenbildnis" von 1509, was den Pinselduktus und den Farbauftrag betrifft. Ein gleicher Pinselduktus über einen so langen Zeitraum ist quasi unmöglich. Nun war klar, es handelt sich um zwei Fälschungen von derselben Hand!

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