Pianistin Claire Huangci in Burghausen
Corona im Orchester – dann eben ein Solokonzert

23.11.2021 | Stand 21.09.2023, 0:35 Uhr
Rainer Wetzl

Chopin ist ihr Lieblingskomponist, sie interpretiert ihn mit großer Leidenschaft: Pianistin Claire Huangci musste kurzfristig das Meisterkonzert in Burghausen ganz allein bestreiten. −Foto: Wetzl

Vor zehn Jahren spielte die heute 31-jährige Pianistin Claire Huangci schon einmal in Burghausen, damals beim ARD-Nachwuchswettbewerb. Am Montagabend kehrte sie mit einem grandiosen Programm und einer außergewöhnlichen Ausdrucksstärke zurück an den Ort ihrer ersten Erfolge. Eigentlich war sie hier als Solistin für das zweite Meisterkonzert der Saison mit dem Kammerorchester Bad Brückenau eingeplant. Doch es kam anders.

Einer der Musiker erkrankte am Freitag an Corona, das Konzert drohte auszufallen. Nun zeigte sich die hohe Professionalität der US-amerikanischen Pianistin mit chinesischen Wurzeln. Von einem Moment auf den anderen warf sie das Programm um und kam allein mit zwei großen Klavierwerken in den Stadtsaal: den 24 Präludien von Frederic Chopin und dem Zyklus "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky.

Nur Klaviermusik, wird das nicht eintönig? Das fragten sich zu Beginn sicher viele der Besucher, die sich auf das Orchester gefreut hatten. Doch nach fast zwei Stunden stand fest – davon kann keine Rede sein. Es ist das impulsive Moment, die ungeheure Ausdrucksstärke, mit der Claire Huangci Musik interpretiert – bei dieser Spielweise ist jeder mit- und hingerissen. Diese Frau ist absolut präsent, konzentriert sich voll auf das Werk und beherrscht es, subtile Empfindungen ebenso in Töne zu formen wie regelrechte Gefühlsausbrüche in gewaltigen Klangclustern hörbar zu machen. Claire Huangci selbst scheint mit Musik geradezu zu verschmelzen.

Für ihr Spiel setzt sie ihren gesamten Körper ein, federt und schwingt mit, dirigiert mit der hochgehenden Hand das Tempo und motiviert damit sich selbst und ihre Ausdruckskraft. Das wirkt effektvoll, aber es ist mehr – es ist dieses unbedingte Eingehen auf das Werk. Das Ergebnis ist ein vollendeter Vortrag. Claire Huangci gilt als herausragende Interpretin von Chopin. Es reißt mit, wie sie am Steinway hämmert, ihre Hände mit irrem Tempo über die Tasten flitzen und ihre Füße trotz zehn Zentimeter hoher Stilettos perfekt die Pedale bedienen.

Und in die Herzen der Zuhörer spielte sie sich nicht zuletzt mit zwei Zugaben, natürlich von Chopin. Zwei seiner Nocturnes legte sie drauf. Und das, obwohl es die Musikerin eilig hatte. Gleich nach dem Konzert fuhr sie nach Frankfurt, um dann dort den Flieger zurück in die USA zu nehmen. Hut ab vor dieser Schaffenskraft.

Rainer Wetzl