Köln
Buchautor Lütz: Benedikts Erklärung ist "Befreiungsschlag"

08.02.2022 | Stand 19.09.2023, 21:03 Uhr
Der emeritierte Papst Benedikt XVI gibt ein Interview. −Foto: Foto: Daniel Karmann/dpa/Archivbild

Der Theologe, Psychiater und Bestsellerautor Manfred Lütz hat die am Dienstag veröffentlichte Erklärung des emeritierten Papstes Benedikt als "Befreiungsschlag" bezeichnet. "Papst Benedikt übernimmt ohne Wenn und Aber die sozusagen politische Verantwortung für das, was in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising dort an Schrecklichem geschehen ist", sagte Lütz der Deutschen Presse-Agentur. "Benedikt redet sich nicht raus. Er schiebt auch nicht alles auf seine Mitarbeiter, wie manche ihm wohl geraten haben mögen. Das wäre auch nicht er selber gewesen."

Benedikt, der frühere Kardinal Joseph Ratzinger, steht seit Wochen heftig in der Kritik, weil ihm ein Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising Fehlverhalten in vier Fällen vorwirft. Am Dienstag reagierte der emeritierte Papst mit einer Stellungnahme.

Lütz sagte, er hätte es jedoch besser gefunden, wenn die Erklärung viel früher gekommen wäre. Die 82-seitige Stellungnahme von Benedikt für das Münchner Missbrauchsgutachten kritisierte er als "ganz unangemessen juristisch". Hier habe die moralische und persönliche Komponente gefehlt. Wie man jetzt wisse, sei dieser Text aber auch nicht von Benedikt selbst, sondern von seinen rein kirchenrechtlich argumentierenden Mitarbeitern verfasst worden. Tief getroffen habe Benedikt, dass man ihn aufgrund einer falschen Angabe für das Gutachten als Lügner hingestellt habe.

"Man darf gespannt sein, ob eine Öffentlichkeit, die gerade Prominente liebend gerne vernichtet, dem 94-jährigen Mann jetzt Absolution erteilt", sagte Lütz. In vielen Ländern, zum Beispiel in Frankreich und Italien, sei der "Furor teutonicus", mit dem die Deutschen wieder mal auf Benedikt eingedroschen hätten, nicht verstanden worden. Benedikt sei in diesen Ländern dafür bekannt, dass er entschiedener als jeder andere Papst gegen Missbrauch aufgetreten sei.

Lütz ist Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben und des Dikasteriums (vatikanisches Amt) für Laien, Familie und Leben.

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