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Außergewöhnliche Fußballgeschichte: Emmerting, Kansas, Vestmannyjaer

Für die Lust an Neuem sagte sie sogar dem FC Bayern ab

29.07.2022 | Stand 20.09.2023, 2:03 Uhr
Rocko Neitzel

Hanna Kallmaier im Trikot der Kansas Jayhawks: Der College-Fußball in den USA ist ein Teil ihrer Geschichte, die sie nun auf die Westmänner-Inseln geführt hat.

Hanna Kallmaier stammt aus dem oberbayrischen Emmerting im Landkreis Altötting und spielt Fußball für den isländischen Erstligisten ÍBV Vestmannaeyjar. Sie ist 28 Jahre alt und kann schon jetzt eine spannende Karriere mit Stationen auf der ganzen Welt, vorweisen.

Dabei verlässt sie sich nie nur auf ihr Talent auf dem Platz. Ganz im Zeichen der Unabhängigkeit arbeitet sie nebenher an mehreren Projekten und macht diverse Hochschulabschlüsse und Fortbildungen im Bereich Sport. 2012, nach dem Abitur, stehen Hanna alle Türen offen. Ein Jahr zuvor war sie, gemeinsam mit den heutigen A-Nationalspielerinnen Sara Däbritz und Lina Magull, Dritte bei der U17-Europameisterschaft geworden. Sie spielt für die Jugendmannschaft des FC Bayern und bekommt vom Verein ein Profi-Angebot. Doch sie entscheidet sich gegen die Offerte und für ein Sportstipendium in den USA. Eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut. Denn in den USA kann sie mehr als nur Fußball spielen. An ihrem College in Kansas hat sie, neben erstklassiger Ausstattung und Förderung im sportlichen Bereich, auch die Möglichkeit, parallel einen Abschluss zu machen.

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Eine Chance, die es in Deutschland für sie so nicht gegeben hätte. "Entweder man studiert oder man spielt Profi-Fußball" sagt sie. Beides zu verbinden, sei zwar möglich, aber nur mit sehr viel Aufwand.

Der Fußball allein reicht ihr nicht

Die Gegebenheiten im College-Sport sind zudem auf höchstem Niveau. "Man wird praktisch besser versorgt als bei jedem Profi-Verein in der Bundesliga", stellt Hanna fest. Und auch das Zwischenmenschliche passt für sie. Sie lernt hier zum Teil ihre besten Freunde kennen. In Kansas spielt Hanna für das Collegeteam, die Jayhawks. Gegner sind die besten Colleges des Landes. Parallel studiert die Oberbayerin Sportwissenschaft und Psychologie. Sich durchzusetzen, lernt Hanna schon früh. Bis zur C-Jugend spielt sie im Team der Jungs.

Emmerting, Kansas, Vestmannyjaer der DJK Emmerting – das hat den Charakter geformt, ist sie sich sicher. "Vor allem, wenn sie erfolgreich werden wollen", sollten Fußballerinnen diesen Weg gehen, empfiehlt die Weitgereiste. "Da kann man einfach richtig gut lernen, sich durchzusetzen", stellt Hanna Kallmaier fest. In den USA gefällt es ihr so gut, dass sie direkt weitermacht und an der University of Missouri in Kansas City einen"Master of Business Administration" auf ihren Collegeabschluss setzt. Während dieser Zeit wird sie von der aktiven Spielerin zur Assistenztrainerin, trainiert aber weiter mit. 2019 hat sie ihren Master in der Tasche und überlegt, auf längere Zeit in den USA zu bleiben. Doch die politische Lage dort verändert sich. Die Einbürgerungsgesetze werden strenger und außerdem hat sie das Gefühl, sie sei "noch nicht fertig mit dem Fußball spielen". Also kontaktiert sie ihren ehemaligen Trainer und dieser ihren heutigen Manager, der sie an ein Team in die erste schwedische Liga vermittelt.

Sie träumt schon immer davon, skandinavische Länder und deren Kultur zu entdecken, weshalb diese Option perfekt für sie passt. In Schweden spielt sie nur ein halbes Jahr für Kvarnsvedens IK. Dann geht es für sie nach Island, genauer gesagt auf die Westmännerinseln,
wo sie heute spielt. Eine Freundin aus den USA spielt bereits dort und weckt ihr Interesse für den Fußball im Nordatlantik. Man merkt der geborenen Burghauserin an, wie viel Spaß sie daran hat, Neues zu entdecken und fremde Länder zu erleben, auch wenn sie, allein schon aufgrund ihrer Familie, sehr an ihrer oberbayrischen Heimat hängt. Auf Island spielt sie nun bereits seit zwei Jahren bei ÍBV Vestmannaeyjar in der ersten Liga der Damen, der "Besta deild kvenna" und will dort auch definitiv diese Saison noch beenden. Denn auf Island geht die laufende Fußball Saison noch bis Oktober und fängt dafür aufgrund des Wetters Ende April erst wieder an.

Den Traum von der Heimat im Hinterkopf

Auch wenn das Fußballspielen für Hanna "finanziell gut zum Leben reicht", wie sie selbst sagt, ruht sie sich nicht auf ihrer Sportkarriere aus. Mit einer Freundin zusammen betreibt sie eine Art Agentur, die anderen jungen Mädchen auch ein Stipendium in die USA vermitteln soll – die WSS, kurz für Women Soccer Scholarship. Per Online-Studium macht sie zusätzlich einen zweiten Master, an der IST Hochschule Düsseldorf ist sie in "Trainingswissenschaft und Sporternährung" eingeschrieben. Zum Ausgleich, um "mal ein bisschen abschalten zu können", wie Hanna sagt, pflanzt sie gemeinsam mit Teamkolleginnen Blumen in der Stadt, erledigt Gärtnerarbeiten. Zudem hat sie ein kleines Nebengeschäft als Fitnesscoach, das nächstes Jahr durchstarten soll. Eines steht jedoch für sie fest: Irgendwann will sie auf jeden Fall zurück in die Heimat, am liebsten als Kraft- und Athletiktrainerin bei einem Bundesligaverein, im Idealfall natürlich beim FC Bayern. Sie selbst sagt: "Meine Heimat läuft mir zum Glück nicht davon."