Abenteuer im antiken Russland
"Asterix und der Greif" ist der beste Band seit Jahren

22.10.2021 | Stand 21.09.2023, 5:39 Uhr

Seit gestern im Handel: "Asterix und der Greif" auf Deutsch. −Foto: Asterix®-Obelix®-Idefix® / © 2021 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Wenn du als Politiker ankommen will beim Volk, musst du was bieten. Üppige Förderbescheide, einen neuen Kilometer Autobahn, oder ein faszinierend exotisches Monstrum für einen extrazünftigen Gladiatorenkampf. Das Premium-Monster ist der Greif – ein Mischwesen aus Adler und Löwe –, und Julius Cäsar will es haben für die Zirkusspiele, fürs Gaudium des Volkes, und für seinen Ruhm. Cäsars Heer rückt aus nach Osten, ins eisige Land der Sarmaten zwischen Schwarzem Meer und Kaspischem Meer, wo die Tage wohl nur einen Wimpernschlag kurz sind und gallische Hündchen den Wolf in sich spüren.

Seit gestern ist "Asterix und der Greif" im Handel. Der 39. Band erfreut (anders als der Vorgänger "Die Tochter des Vercingetorix") mit einer spannenden Geschichte, mit aktuellen Anspielungen, die (anders als in der "Tochter" und im "Papyrus des Cäsar") nie zum Selbstzweck werden – und mit gelungenem Humor auf jeder Seite. Der "Greif" ist das Beste, was Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad seit ihrem Debüt 2013 geschaffen haben.

Endlich hat sich das neue Kreativteam freigeschwommen vom Erbe der Asterix-Väter Goscinny und Uderzo. War ihr "Asterix in Italien" ein laues Best-of der bekannten Völker und Stämme und die "Tochter" eine bemühte Hommage an Fridays for Future, so erzählt "Asterix und der Greif" mit dramaturgischem Schwung von der Expedition der Gallier in ein fiktives Ostreich "zwischen Russland, der Mongolei und Kasachstan", wo emanzipierte Amazonen herrschen, Männer den Herd hüten, wo Krieg nun mal Frauensache und das Wetter so kalt ist, dass selbst der Zaubertrank gefriert. Können die Galler verhindern, dass das römische Heer den legendären Greif nach Rom entführt?

Unbeschwert und lustvoll zerlegt der neue "Asterix" Geschlechterrollen und Männerbilder – und hat doch Raum für romantische Gefühle. Das ewige Mittel gallischer Unverwundbarkeit legt er für einen Band lahm – und öffnet somit neue erzählerische Räume im den Kampf gegen die Römer. Je weiter der Wettlauf nach Osten führt, desto mehr verschieben sich die Vorstellungen und Realitäten von Zivilisation und Barbarei: Bei den "Wilden" entscheiden die Frauen auf Augenhöhe mit, sie wissen auch, wie man sich medienkompetent Legenden und Halbwissen zunutze macht – während die ach so überlegenen römischen Soldaten nur zu gern dem Legionär "Fakenius" lauschen, der überall Geheimnis, finstre Machenschaften und Verschwörung am Werk sieht, bis jede wissenschaftliche Vernunft flöten geht und nur noch alte Riten helfen können. Apropos: "Hat jemand Weihrauch dabei?"

So bleibt das Abenteuer ganz bei sich und erzählt im Subtext doch jede Menge über unsere Gegenwart. Selbst ein paar wohldosierte Coronascherze haben Platz, spielen sich aber nicht in den Vordergrund. Das Schönste an dem neuen Band ist, dass ein guter Gag hier einfach ein guter Gag sein darf, etwa wenn Asterix die "gallische Diplomatie" in Römerverhandlungen rühmt oder Miraculix den asiatischen Kollegen beim Zaubertrankbrauen belehrt: "Nein Ötküsine! Ein Hamster ersetzt keinen Hummer!"

Der "Greif" besinnt sich auf Spannung und Vergnügen – und erweitert die Möglichkeiten des Asterix-Universums als literarischen Ort, an dem jedes historische und aktuelle Thema verhandelt werden kann. Chapeau!

Raimund Meisenberger



Ehapa Media, 48 Seiten, Taschenbuchausgabe 6,90 Euro