Von den Gebrüdern Grimm zu Hitchcock
ARD sendet 20 Jahre alten Tatort-Klassiker

23.06.2020 | Stand 19.09.2023, 5:35 Uhr
Eric Leimann

Der düstere Märchenonkel Ludwig Gruber (Hilmar Thate) vor seiner Schreiner-Werkstatt. −Foto: tsch

In einer am Freitag, 26. Juni, beginnenden Reihe mit redaktionell ausgewählten "Tatort"-Klassikern aus 50 Jahren macht um 22.15 Uhr ein expressionistisches Münchener Gruselstück, das 2001 als durchaus verstörender Thriller aufgenommen wurde, den Auftakt.

"Ein mörderisches Märchen" war 2002 für einen Grimmepreis nominiert. Es zeigt den großen, 2016 verstorbenen DDR-Schauspieler Hilmar Thate als getriebenen, tief traumatisierten "Märchenmörder".



Tatsächlich ist er ziemlich düster, dieser "Tatort" von Manuel Siebenmann (Buch: Daniel Martin Eckhart), der in der Nachbarschaft von Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) beginnt. Hier lebt der geheimnisvolle Schreiner Gruber (Thate), der die Kinder im Viertel gerne mit Märchen unterhält. Furchteinflößend sehen schon die ersten Aufnahmen in dessen Holzpuppen-Werkstatt aus. Kurz darauf ist derselbe Mann zu sehen, wie er einen Postbeamten erschlägt, weil dieser ihm ein Paket nach Dienstschluss nicht mehr aushändigen will – so scheint es wenigstens. Eine Frau wird zusehen, wie Gruber eine sargähnliche Holzkiste im Park verscharrt. Komischerweise an einem Ort, an dem man ihn gut beobachten kann. Kurze Zeit später wird das kleine Nachbarsmädchen Anna entführt. Märchenonkel Gruber steht zu einem sehr frühen Zeitpunkt als Täter fest – was 2001 im "Tatort" noch durchaus unüblich war. Dennoch bleiben Fragen offen, die die Spannung bis zum Schluss hochhalten. Von den Gebrüdern Grimm zu Alfred Hitchcock.

Mit Zitaten aus Grimms Märchen scheint Gruber die Kommissare Batic und Leitmayr (Udo Wachtveitl) zur entführten Anna führen zu wollen. Mal böse-dämonisch, mal hilflos und ängstlich sitzt der offensichtlich kranke Mann in seiner Zelle. Für die Münchner Polizisten gilt es, der Vergangenheit ins Gesicht zu sehen, genauso wie für Ludwig Gruber selbst.

Eric Leimann