Pocking
"Achtsam miteinander umgehen"

Wie die Kindergartenleiterin Heike Stadlberger (48) in Zeiten von Corona den Umgang mit Kindern erlebt

04.12.2020 | Stand 19.09.2023, 21:12 Uhr

Heike Stadlberger arbeitet jeden Tag mit Kindern zusammen in ihrem Kindergarten St. Georg in Pocking. Dabei die Kinder in Zeiten von Corona auf Abstand zu halten und Nähe zu verwehren – das ist oft nicht leicht und auch nicht immer möglich. −Foto: red

Es ist eine Idee der Pockinger Stadträtinnen: Anhand von Interviews mit verschiedenen Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft sollen die Herausforderungen, aber auch die Chancen der Corona-Pandemie beleuchtet werden. Die PNP veröffentlicht die Interviews in regelmäßigen Abständen. Die heutige Gesprächspartnerin ist Heike Stadlberger, 48 Jahre alt, geschieden, Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie ist Erzieherin und leitet die Kinderkrippe und den Kindergarten St. Georg in Pocking.

Wie sieht üblicherweise ihr Alltag im Kindergarten aus?
Heike Stadlberger: Ich leite ein Team von 23 Mitarbeitern. Wir betreuen täglich 125 Kinder. Zu meinen Aufgaben gehört die tägliche Leitung und Betriebsführung, die Zusammenarbeit und Führung der pädagogischen Mitarbeiter, die Zusammenarbeit mit den Eltern und Kooperationspartnern wie Jugendamt, Fachberatungen, Förderstellen, Träger, Gesundheitsamt und vielen mehr.

Viele verschiedene Verwaltungs- und Bürotätigkeiten bringen einen großen Zeitaufwand mit sich, wie das Verwaltungsprogramm adebis-kita, Abrechnungen, Email-Verkehr, erarbeiten von pädagogischen Konzepten, Planung von Festen und Feiern gemeinsam mit dem Team, führen von Teamsitzungen, das Planen von Fortbildungen und Weiterqualifizierungen, das Reflektieren unserer pädagogischen Arbeit und Haltung und die Dienstplangestaltung.

Was sind ganz speziell Ihre Herausforderungen im Pandemiegeschehen?
Heike Stadlberger: Durch die Coronapandemie und die damit verbundenen Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes wird viel Vertrautes und Gewohntes im Kita-Alltag auf den Kopf gestellt. Die offene und gruppenübergreifende Arbeit sowie öffentliche Feste und gewohnte Rituale dürfen aufgrund der Hygienevorschriften und des hohen Inzidenzwerts nicht mehr stattfinden.

Die Kinder müssen in festen Gruppen betreut werden und können Freunde und Spielaktionen in anderen Gruppen nicht mehr besuchen. Auch im Garten dürfen sich die Kinder nicht mischen und jeder Gruppe wird ein bestimmter Bereich zugeteilt. Die Selbstbestimmtheit der Kinder wird dadurch stark eingeschränkt und damit verbunden auch die Pädagogik.

Die Maskenpflicht beim Personal stellt uns vor große Herausforderungen im Hinblick auf die Kommunikation und vor allem Interaktion mit den Kindern. Das Pandemiegeschehen und die damit verbundenen Maßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsregeln fordern eine gewisse Distanz, die im Umgang mit Kindern nicht dauerhaft möglich ist. Kinder brauchen Nähe: bei der Trennung am Morgen von den Eltern, beim Trösten, bei ganz alltäglichen Dingen wie beim Naseputzen, Wickeln und beim Gang zur Toilette, beim An- und Ausziehen, beim Spielen und Vorlesen.

Das Betretungsverbot der Eltern erschwert die bisher aufgebaute Erziehungspartnerschaft, der Austausch zwischen Eltern und Erzieher und der Einblick in das tägliche Kita-Geschehen ist dadurch sehr eingeschränkt.

Durch die strengen Hygieneregelungen wird von den Eltern viel Verständnis und Flexibilität erwartet.

Kinder mit Krankheitssymptomen dürfen die Einrichtung über eine bestimmte Zeit nicht mehr besuchen und brauchen nach Genesung ein ärztliches Attest oder eine negative Covid-Testung.

Diese Regelungen gelten auch für das Personal und bringen durch diesen Fachkraftmangel einen ständig wechselnden Dienstplan mit sich.

Wie meistern Sie diese Herausforderungen?
Heike Stadlberger: Ich bin froh und dankbar über den Einsatz und die Flexibilität bezüglich stets wechselnder Arbeitszeiten meiner Kolleginnen, die unter anderem ihre eigenen Kinder fremdbetreuen lassen, um Kinder in der Kita betreuen zu können.

Besonders in der Krisenzeit sind wir zu einem unverzichtbaren Pfeiler unserer Gesellschaft geworden und würden uns deshalb sicherlich auch über mehr Wertschätzung und Anerkennung freuen.

Auch von Eltern und Kindern wird in dieser Zeit viel Verständnis und Vertrauen erwartet.

Was wird im Pandemiegeschehen wieder wichtig/vordergründig?
Heike Stadlberger: Es ist als Leitung für mich schön zu sehen, wie das Team in diesem Ausnahmezustand zusammenhält und in vielen Dingen über sich hinauswächst. Ein wertschätzender und achtsamer Umgang von allen Beteiligten ist in dieser Zeit eine wichtige Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander.

Was empfehlen Sie Ihren Mitmenschen?
Heike Stadlberger: Trotz der täglichen Herausforderungen der Pandemie ist es wichtig, den positiven Dingen und Momenten mehr Beachtung zu schenken und sich nicht zu sehr in den Strudel des Pandemiegeschehens ziehen zu lassen. Zu große Angst lähmt und schränkt die Lebensqualität noch mehr ein. Es ist in der jetzigen Zeit wichtiger denn je zusammenzuhalten und gemeinsam füreinander da zu sein.

Was wäre Ihr größter, realistischer Wunsch für die nächsten Wochen?
Heike Stadlberger: Ich wünsche mir von Herzen, dass in absehbarer Zeit der gewohnte und vertraute Alltag in der Kita zurückkehrt. Das Allerwichtigste für mich ist aber, dass alle gesund und wohlbehalten die Pandemie überstehen.
Das Gespräch führte Barbara Weiss.