Plattling
Verdi-Senioren: "100 Milliarden lieber für Soziales"

22.06.2022 | Stand 19.09.2023, 2:39 Uhr
Franz Josef Bauer

Die Senioren der Verdi-Bezirksgruppe um Brigitte Wessely (mit Blatt) stehen für eine Stärkung der Sozialpolitik und fordern von der Regierung konkrete Maßnahmen. −Foto: Bauer

Ein grünes Transparent flattert gemächlich im Sommerwind: "Systemrelevant" steht darauf in großen, gut sichtbaren Lettern. Eine Gruppe von Menschen formiert sich. Allmählich tauchen auch weitere Banner auf und stellen klar, wer zur Demonstration geladen hat: Die Seniorinnen und Senioren von Verdi Niederbayern. Der Arbeitskampf endet nicht mit dem Rentenalter.

"Wir wollen auf das Problem der Altersarmut hinweisen", verdeutlicht Andreas Bernauer, Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft. "Momentan hat sich die Lage durch die Inflation nämlich noch einmal stark zugespitzt." Zum gestrigen Bezirks-Senioren-Tag hätte man eigentlich geschlossen und lautstark vom Bahnhof zum Hotel zur Isar marschieren wollen. "Wegen einer Zugverspätung ist die eigentliche Demo aber abgesagt", so Bernauer. "Die Leute aus Landshut kommen stattdessen gleich ins Wirtshaus nach." Die rund 30 Anwesenden spazieren gemäß Plan B gemütlich die vorgesehene Route entlang. "So werden wir trotzdem gesehen und können unsere Sache nach außen vertreten", meint Bernauer.

Brigitte Wessely, die Bezirksvorsitzende der Verdi-Senioren, nickt. Sie hat eine Rede vorbereitet, die sie nun erst vor der "kompletten Mannschaft" im Gasthaus vortragen will. Sie klingt entschlossen, wenn sie über die Themen erzählt, die ihr auf den Nägeln brennen. "Beim Entlastungspaket hat man uns Rentner vollkommen vergessen. Und das, obwohl die Lebenshaltungskosten exorbitant gestiegen sind und uns Heizkosten erwarten, die kein Kleinrentner mehr bezahlen kann." Wessely fände es angemessen, wenn die Renten analog zur Inflation erhöht würden. Also statt um fünf auf sieben oder acht Prozent. Nur so lasse sich ein realer Kaufkraftverlust abwenden.

Auch auf die Geschlechtsunterschiede beim Rentenbezug macht Wessely aufmerksam. Ein Missstand, der ihr zufolge in Niederbayern besonders häufig sei. "Altersarmut ist in unserer Region oft weiblich", bestätigt Bernauer. "Frauen bleiben oft zuhause bei den Kindern, und wenn sie arbeiten, dann verdienen sie meist weniger als die Männer." Im Senioren-Alter sei dies dann ein ernsthaftes Problem – eine 400-Euro-Rente reiche kaum zum Überleben.

Einig sind sich Wessely und Bernauer auch darin, dass die Regierung zu wenig tue, um die Schwachen zu schützen. "Eine soziale Politik muss die Tarifbindung stärken, den Niedriglohnsektor abschaffen und Mieten wieder bezahlbar machen", so Wessely. Mit Nachdruck fordert sie außerdem eine Umwidmung des Sondervermögens, das der Bundestag kürzlich für die Ertüchtigung der Bundeswehr ins Grundgesetz geschrieben hat. "100 Milliarden lieber für Soziales, nicht für mehr Waffen und Munition!", lautet ihre Parole.

Nach diesen Worten der Bezirksvorsitzenden startet die Gruppe los. Zwar nicht als offizieller Demonstrationszug, aber mit einer klaren Haltung auf dem Banner: Jeder Mensch ist "systemrelevant".