Laufsport
Und sie kann doch Marathon! Wie Julia Viellehner in München ihren "Fluch" über die 42,195 km gebannt hat

15.10.2015 | Stand 18.09.2023, 20:11 Uhr

Jubel im Ziel: So freute sich Julia Viellehner, als sie in München ihren erst zweiten Marathon erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Im Olympiastadion blieb die Uhr für die Winhöringerin nach 2:40:28 Stunden stehen.Erwin Fladerer

Als Läuferin und Ausdauersportlerin schien sie geradezu prädestiniert für den Marathon. Komisch eigentlich, dass es trotzdem nie richtig gepasst hat zwischen Julia Viellehner (30) und der klassischen Langstrecke von 42,195 km. So war der Marathonwettkampf am vorigen Sonntag in München erst der zweite in ihrer doch schon recht langen Karriere. Zwei Stunden, 40 Minuten und 28 Sekunden brauchte die Winhöringerin, die vor Jahren auch mal das Trikot der LG Passau trug – und sie war überglücklich.

Neuer Rekord, Rang 1 bei den Frauen, Bayerische Meisterin! Dass Viellehner ihren aktuellen Seelenzustand als "rundum happy" beschreibt, ist nachvollziehbar. Ja, sie habe "das Beste rausgeholt", freut sich die Heilerziehungspflegerin und studierte Gesundheitsmanagerin.

Allein dass sie den Marathon heuer nochmal auf die Agenda setzte, ist bemerkenswert – angesichts der langen, unsäglichen Vorgeschichte, bei der erst im Frühjahr das letzte Kapitel geschrieben wurde: Beim Hamburg-Marathon Ende April musste sie ihren geplanten Start einen Tag vorher unter Tränen absagen. Eine entzündete Sehne im linken Sprunggelenk schmerzte so sehr, dass an eine sportliche Belastung nicht zu denken war.

Und es war beileibe nicht das erste Mal, dass die für den TSV Altenmarkt startende Triathletin in Sachen Marathon kurzfristig passen musste – ganz im Gegenteil. 2012 scheiterten gleich zwei Versuche aufgrund von Verletzungen: zunächst Hamburg wegen eines Ermüdungsbruchs im Fibulaköpfchen, dem Schien-/Wadenbein-Gelenk, danach München wegen einer Muskelverhärtung im Oberschenkel. Vergangenes Jahr wollte es Viellehner beim Frauen-Marathon in Palma de Mallorca erneut probieren, aber auch das klappte nicht. Eine Sehnenreizung machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

Vier Versuche, einen Marathon zu laufen – und nie reichte es auch nur dafür, wenigstens an die Startlinie zu gehen. So blieb ihr Debüt anno 2009 in Mainz, wo sie auf Anhieb sehr gute 2:41:41 Stunden brauchte und damit deutsche Vizemeisterin wurde, Viellehners einzige Marathonerfahrung. Abgesehen von drei Ironman-Triathlons, bei denen sie auf Hawaii (2013), in Klagenfurt (2014) und heuer im Juli in Roth jeweils als Abschlussdisziplin die legendären 42,195km absolvierte. Aber dies ist eben nicht dasselbe wie ein reiner Marathon. Und so blieb ihre Sehnsucht, nochmal einen solchen zu laufen, bestehen – all dem Verletzungspech, das schon fast tragische Züge annahm, zum Trotz. Deshalb jetzt also München.

Ein halbwegs spontaner Plan, wie Viellehner erzählt: "Die Saison verlief gut und ich war nach Zofingen irgendwie noch nicht satt." In dem Schweizer Ort im Kanton Aargau hatte sie Anfang September zum zweiten Mal nach 2013 den Vizeweltmeistertitel im Langdistanz-Duathlon gewonnen; das waren 10km Laufen, 150 km Radfahren, 30km Laufen.

Eine "neue Herausforderung für den Herbst" habe sie daraufhin gesucht, so Viellehner. Worum es für sie letzten Sonntag auf den Straßen der bayerischen Landeshauptstadt aber im erster Linie ging, gab Trainer und Lebensgefährte Thomas Stecher ihr noch mit auf den Weg: den "Marathonfluch" bannen! Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich wollte Viellehner auch ihr Potenzial so weit wie möglich ausschöpfen. Eine 2:45er-Zeit, so taxierte sie im Vorfeld, sollte es mindestens schon werden.

3:55 Minuten im Schnitt pro Kilometer wären dazu nötig gewesen. Nach den ersten 1000 m hatte Viellehner 3:43 auf der Uhr stehen. "Selten, dass ich so verhalten anging", resümiert sie im Nachhinein. Vor den wachsamen Augen von Tom Stecher, der seine Freundin auf dem Fahrrad begleitete, widerstand diese bei Wind und frischen acht Grad der Versuchung, womöglich ein bisschen mehr Gas zu geben, und hielt sich streng an die Marschtabelle. Kilometer 10 in 37:06, Halbmarathon in knapp Einsneunzehn. "Anfangs rollte es echt schön und locker", schildert Viellehner. Gut zehn Kilometer vor dem Ziel merkte sie aber doch "zunehmend die muskuläre Be- und Überlastung". Bei Kilometer40 sei ihr klar gewesen, dass eine Zeit von "sub 2:40 nicht mehr drin" war. Die Aussicht auf Sieg und Bestzeit taugten indes allemal als Motivation. Und im Olympiastadion konnte sie wenig später die Arme hochreißen: 2:40:28 Stunden offiziell, netto noch zwei Sekündchen schneller. Die Zweitplatzierte, Andrea Weber aus Österreich, folgte in 2:50:14 mit fast zehn Minuten Rückstand.

Ach ja: Ihre leicht reizbare Sehne im linken Fuß, die spürte Julia Viellehner auch diesmal. Aber, so lächelt sie, "nur in einem erträglichen Maß, ohne Schmerzen".