Abschied vom "kleinen Magier"
Mit Bengalos, Rauchbomben und ihrem Liebes-Lied: Neapel trauert laut um Maradona – Video

26.11.2020 | Stand 26.11.2020, 16:37 Uhr

Er wird immer ihr Idol bleiben: Die Neapolitaner weinten nicht still zu Hause um ihren verstorbenen Fußball-Gott, nein, sie feierten ihm zu Ehren auf den Straßen ein Fest. −Foto: dpa

Neapel und Maradona – das ist eine Liebe, die den Tod überdauert. Daher wollten die Menschen dort auch nicht nur um den Verstorbenen weinen.

Das hätte Diego Armando Maradona gefallen. Die Neapolitaner weinten nicht still zu Hause um ihren verstorbenen Fußball-Gott, nein, sie feierten ihm zu Ehren auf den Straßen ein Fest. Trotz Ausgangssperre pilgerten Hunderte Fans zum Stadion des SSC Neapel und zu einem Wohnblock im Zentrum der Vesuvstadt, an dessen Fassade ein Gemälde an die unsterbliche Legende erinnert.

Die Mahnwachen wurden begleitet von Bengalos, Rauchbomben und Gesängen. Immer wieder stimmten die Tifosi jenes Lied an, das einst auch Maradonas Teamkollegen bei der feuchtfröhlichen Meisterfeier 1987 geschmettert hatten: "Oh Mama, Mama, Mama, weißt du, warum mein Herz so schlägt? Ich habe Maradona gesehen, und Mama: Ich bin verliebt!"



Neapel und Maradona – das ist eine Liebe, die den Tod überdauert. Die Einwohner der arg gebeutelten süditalienischen Stadt werden niemals vergessen, was dieser exzentrische Ballkünstler Ende der 1980er-Jahre für sie getan hat. Er hat ihnen nicht nur sportliche Erfolge (die ersten und einzigen Meistertitel 1987 und 1990, Pokalsieg, UEFA-Cup-Triumph), sondern auch ein neues Selbstwertgefühl beschert. Der arme, chaotische und nicht besonders hübsche Süden stand plötzlich vor den reichen Nordstädten Mailand und Turin. Dafür haben ihn die Leute gottgleich verehrt und ihm die vielen Skandale immer verziehen.



"Seit meinem ersten Tag in Neapel bin ich Neapolitaner", hatte Maradona einmal gesagt: "Kein anderes Volk hat mich so geliebt wie ihr!" Und die Menschen dort haben niemals jemanden so vergöttert wie ihren "kleinen Magier". Egal ob Banker, Bäcker oder Beamter.

Bis heute weiß niemand so recht, woher der klamme SSC Neapel und die noch klammere Stadt die 24 Millionen D-Mark nahmen, die 1984 als Ablöse an den FC Barcelona flossen, doch klar ist: Maradonas Verpflichtung war ein Segen für Klub und Stadt – aber für ihn selbst auch Fluch. Am Vesuv stürzte er in die Drogensucht und ließ sich mit der Mafia ein.

Der Trauer um den am Mittwoch verstorbenen Argentinier tat dies keinen Abbruch. Bürgermeister Luigi de Magistris will das legendäre Stadio San Paolo nach dem Idol benennen. "Das verlangt Maradonas Volk, er war Neapels Messias", sagte der Politiker. Auf einer Fan-Initiative hin sollten am Donnerstag um 21.00 Uhr alle Neapolitaner die Fenster öffnen und dem Helden mit Applaus huldigen. Der könnte die Spieler des SSC in der zeitgleich angepfiffenen Europa-League-Partie gegen Rijeka beflügeln.

Vor der Arena legten bereits am Mittwoch zahlreiche Fans Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Die Polizei, die Verstöße gegen die Corona-Auflagen sonst rigoros ahndet, ließ sie gewähren. Kinder klebten Zeichnungen ihres Idols an den Stadioneingang, ein Banner wurde aufgehängt: "Unser unsterblicher König, deine Fahne wird nie aufhören zu wehen."

Auch vor dem großen Maradona-Gemälde im spanischen Viertel und vor den vielen kleinen Hausaltären, die die Neapolitaner zu Ehren ihres Adoptivsohns seit Jahren liebevoll pflegen, versammelten sich dessen Jünger. Manche weinten, viele tanzten. "Wir verabschieden uns von ihm mit derselben Leidenschaft, mit der mehr als eine Generation von Fans ihn geliebt hat", sagte Italiens Verbandschef Gabriele Gravina. Maradona symbolisiere "die Ekstase des Fußballs".

Der SSC Neapel fand für den Verlust zunächst keine Worte. "Jetzt ist die Zeit der Tränen", ließ der Klub verlauten. Auch sein in Neapel lebender Sohn Diego Maradona junior und dessen Mutter Cristiana Sinagra trauerten. "Der Kapitän meines Herzens wird niemals sterben", schrieb der Sohn im Netz.

Die Stadt rief einen offiziellen Trauertag aus. Der Fußballverband beschloss fürs Wochenende eine Schweigeminute zu Ehren des "Goldjungen". Die Neapolitaner aber haben Maradona am Tag seines Tod besungen und gefeiert. So hätte er es sich wohl gewünscht. sid

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