Olympia-Serie "Unsere Stars für Peking"
Kopf-frei-Training im Bayerwald, Anruf bei Stefan Loibl, XXL-Vertrag: Wie Marcel Brandt sein Olympia-Ticket löste

28.01.2022 | Stand 19.09.2023, 3:03 Uhr

Will eine tragende Rolle spielen: Marcel Brandt hat zwei Ziele für Olympia 2022 – Stammspieler sein und eine Medaille holen. −F.: Hübner/imago images

Mit Marcel Brandt fährt ein Spieler der Straubing Tigers zu Olympia. Dabei steckte der beste Verteidiger der abgelaufenen DEL-Saison noch vor einigen Wochen in einer Formkrise. Doch der gebürtige Dingolfinger befreite sich daraus – mit Extra-Einheiten im Bayerischen Wald.

Als Marcel Brandt (29) die frohe Botschaft erreicht, öffnet er auf seinem Smartphone gleich das Kontaktbuch. Irgendwo muss er hin mit der Freude. Er sucht nicht nach "T" wie Tanja – seine Frau – oder "M" wie Mama. Er scrollt zu den Einträgen mit "S" wie Stefan Loibl (25). "Das war der erste Anruf, den ich gemacht habe", erzählt der Eishockey-Profi der Straubing Tigers wenige Tage nach seiner Nominierung in den Olympia-Kader des Deutschen Eishockey-Bundes. "Es ist einfach schön, so etwas mit einem Freund und ehemaligen Teamkollegen zu erleben." Brandt und Loibl, zwei Straubinger Jungs auf Medaillenmission in Peking.

Während Loibl inzwischen beim schwedischen Klub Skelleftea AIK stürmt, hat sich Brandt in Straubing zum Stamm-Nationalspieler entwickelt. Vergangenes Jahr war er bereits bei der WM dabei, jetzt geht ein "Kindheitstraum" in Erfüllung, wie der gebürtige Dingolfinger sagt.

Das große Talent habe ihm diesen Weg nicht geebnet, wie Brandt selbst zugibt. Koketterie, klar. Aber diese Aussage erzählt auch viel über das Selbstverständnis des Niederbayern: Geschenkt wird einem nichts. Um es nach ganz oben zu bringen, braucht es mehr: "Ich habe den Willen, das Herz am rechten Fleck – und die richtige Einstellung."

Knallhart mit sich selbst sein, das hat ihn in der vergangenen Spielzeit zum besten Verteidiger der DEL gemacht. Bei der WM macht er vier Partien, dazu neun weitere Länderspiele. Ein Jahr wie ein einziger Höhenflug. Und dann schaltet sich der Kopf ein. "Nach dieser Saison mit all diesen Höhepunkten habe ich mir natürlich selbst gesagt: Das will ich wiederholen." Zu Beginn der Saison ist Brandts Lauf jäh gestoppt, Olympia in weiter Ferne, er steckt in einer Formkrise. "Mein Kopf war ein Riesen-Faktor."

Der Verteidiger versucht, sich auf alles zu konzentrieren außer auf seine Gedanken. "Ich habe dann extrem hart trainiert und dadurch den Kopf ausgeschaltet." In der Sportschule Kinema in Neukirchen b. Hl. Blut (Lkr. Cham) legt er bei Trainer Sepp Maurer zahllose Extraschichten abseits des Eises ein. "Innerhalb weniger Wochen habe ich einen Riesensprung gemacht. Ich habe es gehofft, aber ich hätte nie gedacht, dass das möglich ist." Indem er seinen Körper zu Höchstleistungen treibt, löst er die Blockade im Kopf. Brandt spielt sich in den internen erweiterten Olympia-Kader, der aus 35 Akteuren besteht – und muss plötzlich doch wieder bangen. Mitte Januar schlägt sein Corona-Test an – wie bei so vielen Teamkollegen in diesen Tagen.

"Natürlich machst du dir da Gedanken", sagt Brandt unmittelbar nach seiner Rückkehr aus der Quarantäne. "Aber ich habe versucht, positiv zu denken." Er bleibt praktisch symptomfrei. Gerade befindet sich Brandt im so genannten "Return-to-play-Verfahren". Bleiben seine Tests negativ und decken auch die ärztlichen Untersuchungen keine Langzeitschäden auf, kann er kommende Woche aufs Eis zurückkehren – pünktlich zur heißen Phase der Olympia-Vorbereitung.

Brandt und seine Nationalmannschaftskollegen kommen in Mannheim zusammen, um dann am 2. Februar in den Flieger nach Peking zu steigen. Mit einem mulmigen Gefühl? "Ich denke, wir können beruhigt rüberfliegen. Man versucht, das alles auszublenden." Die Gefahr einer erneuten Quarantäne, Berichte über rigorose chinesische Behörden, keine Zuschauer. Brandt will sich damit noch nicht beschäftigen. Lieber schaut er noch einmal die Spiele der deutschen Eishockey-Helden von 2018. "Da habe ich natürlich alle Spiele verfolgt, den grandiosen Sieg über Kanada, die unglückliche Finalniederlage gegen Russland", sagt Brandt über die Silber-Sensation vor vier Jahren. Nun will er selbst Teil eines solchen Sportmärchens werden.

In den vergangenen Monate habe er regelmäßig mit Bundestrainer Toni Söderholm telefoniert. "Er hat mir immer wieder gesagt, woran ich arbeiten muss." Brandt will sich in einer der vorderen Abwehrreihen festspielen – und "am liebsten mit einem Podiumsplatz nach Hause kommen."

− db

Wie am Freitagvormittag bekannt wurde, hat Marcel Brandt seinen Vertrag bei den Straubing Tigers vorzeitig verlängert – um den für das Eishockey-Geschäft ungewöhnlich langen Zeitraum von vier Jahren. Damit steht der Niederbayer mindestens bis zum Ende der Saison 2025/26 für die Tigers auf dem Eis.