Nachspiel zum EM-Finale
"Gegen jede Logik": Lutz Pfannenstiel zerreißt Southgates Elfmeter-Taktik

12.07.2021 | Stand 19.09.2023, 2:10 Uhr

Trostspender statt Europameister: England-Trainer Gareth Southgate (von rechts) mit Jadon Sancho und Jordan Henderson. −Foto: afp

Fußball-Experte Lutz Pfannenstiel lässt kein gutes Haar an England-Trainer Gareth Southgate und seiner Personalauswahl beim Elfmeterschießen im EM-Finale gegen Italien:

"Ich war beim Finale eigentlich neutral. Aber bei diesem Elfmeterschießen hätte ich am liebsten den Fernseher aus dem Fenster geworfen. Was Gareth Southgate da veranstaltet hat, war gegen jede Trainerpraxis und gegen jede Logik! Ich bringe doch nicht zwei junge Spieler, denen ich während des Turniers kaum Einsatzzeit gegeben habe, um dann die wichtigsten Elfmeter seit 60 Jahren zu schießen. Es hat ja Bände gesprochen, in welcher Haltung Marcus Rashford und Jadon Sancho da übers Feld zum Elfmeterpunkt geschlichen sind, erkennbar ohne jedes Selbstvertrauen. Spannung gleich null, die Körpersprache negativ. Wenn er die beiden wenigstens in der 106. oder noch in der 110. Spielminute gebracht hätte, dann hätte ich gesagt, ja gut, haben sie noch ein paar Ballkontakte, haben ein paar Pässe gespielt. Aber in der 120. Spielminute? Die waren ja nicht nur ohne Selbstbewusstsein, sondern völlig unvorbereitet. Und den 19-jährigen Saka lass ich als zweiten oder dritten Schützen schießen, aber doch nicht als fünften! Das gibt’s doch nicht! Und alles nur, weil die Jungen bei den vielen Trainings-Elfmetern, die die Engländer gemacht haben, mit die besten Quoten hatten. Danach hat er seine Schützen ausgewählt, obwohl er Spieler wie Stones, Grealish, Shaw oder Sterling auf dem Feld hatte. Jeder hätte geschossen. Aber nein, Southgate stellt nach Quote auf. Bitteschön? Ich kann doch nicht Trainings-Elfmeter mit einer EM-Entscheidung von dieser Dimension vergleichen! Elfmeterschießen ist Psychologie, das hat mit Überzeugung und Selbstvertrauen zu tun. Über diese Voraussetzungen hat sich Southgate hinweggesetzt. Es will mir nicht eingehen: Da macht Gareth übers Turnier gesehen so gut wie alles richtig, und dann sowas. Der verschossene Elfer 1996 ist ihm lange nachgehangen. Aber das wird ihm noch länger anhaften."

Lutz Pfannenstiel (48) aus Zwiesel arbeitet als Sportdirektor beim MLS-Franchise St. Louis City und analysierte das Turnier im heimatsport-Podcast "EM-Einsichten".