Aufgeblähte Landesligen, Ausgedünnte A-Klassen
Ein Überblick: Risiken und Nebenwirkungen einer Corona-Saison ohne Absteiger

10.05.2021 | Stand 19.09.2023, 2:05 Uhr
Alexander Hübner

Ein Opfer der Quotientenregel: Der TSV Grafenau führt die Bezirksliga Ost nach Punkten an, rutscht aber nach der während der Corona-Saison eingeführten Quotientenregel hinter die Spvgg Osterhofen. Mit Wertung nach dem Alternativmodell würde der TSV Grafenau trotzdem erstmals in seiner Vereinsgeschichte in die Landesliga aufsteigen. −Foto: M. Duschl

Bis zum 18. Mai sollen die 4500 bayerischen Amateurfußball-Vereine entscheiden, ob es nach der abgebrochenen "Corona-Saison" auch Absteiger geben soll. Damit verbunden wäre ein verstärkter Aufstieg, weil gleichzeitig alle für die Relegation qualifizierten Mannschaften aufrücken dürften. Nach der geltenden Spielordnung soll es eigentlich Auf- und Absteiger geben, nur die Relegation fiele aus. Doch dagegen regte sich Unmut, weshalb der Bayerische Fußball-Verband (BFV) den Vereinen die "Qual der Wahl" lässt.

Aber die vermeintlich kulantere Regelung hat Risiken und Nebenwirkungen: aufgeblähte Ligen mit bis zu 23 Mannschaften oben in der Ligen-Pyramide, dafür ausgedünnte A-Klassen ganz unten. Im Hintergrund tüfteln die BFV-Spielleiter bereits an alternativen Spielsystemen (kleinere Ligen, Playoffs um Auf- und Abstieg).

Härtefälle wird es übrigens so und so geben in dieser Corona-Saison 19/21. In der Landesliga Südost steigt Tabellenführer TSV Karlsfeld nach keiner der beiden Varianten auf. "Es haben sich auch zwei Vereine bei mir gemeldet, die unbedingt absteigen wollen", berichtete BFV-Geschäftsführer Jürgen Igelspacher am Freitag in einer virtuellen Medienrunde.



Ein Blick in die Verbands- und Bezirksligen

Regionalliga: Der VfR Garching dürfte der größte Anhänger einer Entscheidung gegen Absteiger sein. Das Schlusslicht bliebe dann doch drin. Aus der Bayernliga würden neben den "Abbruch-Meistern" FC Pipinsried und SC Eltersdorf (aus Erlangen) auch die Vizemeister FC Deisenhofen und DJK Vilzing aufsteigen. Für den TSV 1880 Wasserburg würde es nicht reichen.

Bayernliga Süd: Der TSV Nördlingen war und ist verständlicherweise einer der größten Verfechter einer Lösung ohne Absteiger – er wäre sonst der einzige. Aus der Landesliga Südwest käme neben dem FC Gundelfingen der 1. FC Sonthofen hinzu, der nach dem Punktequotienten (1,96 Punkte pro Spiel) vor dem VfR Neuburg (1,93) liegt. Mit Absteigern könnten beide Bayernligen 2021/22 mit 18 und 19 Vereinen spielen, ohne Absteiger wären es 20 und 21.

Bayernliga Nord: Die DJK Vilzing (2,29) bleibt Zweiter hinter Meister SC Eltersdorf (2,35) und ist einer der Vereine, die sich beim BFV meldeten und den klaren Wunsch äußerten, dass die Releganten auch aufsteigen dürfen. Gibt es keine Mehrheit für das Alternativmodell, müssen die Vilzinger um ihren künftigen Trainer Josef Eibl ab Sommer einen neuen Versuch starten. Der FC Viktoria Kahl (0,43) bekäme dagegen ein zweites Jahr in der 5. Liga geschenkt.

Landesliga Südost: Spitzenreiter Eintracht Karlsfeld (1,86) geht in jedem Fall leer aus. Der punktgleiche VfB Hallbergmoos (1,93), der ein Spiel weniger ausgetragen hat, steht als Bayernliga-Aufsteiger fest, zweiter Aufsteiger wäre der SV Erlbach (1,88). Von einer Aussetzung des Abstiegs würden der ASV Dachau und TSV Waldkirchen profitieren. Sie müssten sich in der neuen Saison aber in einer Liga mit 22 Vereinen behaupten, weil bayernweit gleich 30 Bezirksligisten aufsteigen könnten. Alternativ wird der Verband mehr als fünf Landesligen bilden (müssen).

Landesliga Mitte: Neben dem ASV Neumarkt (2,14) würde auch die Spvgg Weiden (2,04) als "Vizemeister" die Rückkehr in die Bayernliga realisieren. Der SV Grafenwöhr (0,71) und die Spvgg Pfreimd (0,37) könnten den Abstieg durch das Alternativmodell verhindern.

Bezirksliga Ost: Sowohl im Rennen um Aufstieg als auch Abstieg verändert sich die Tabelle nach Quotientenregel. Der TSV Grafenau (2,27) hat einen marginal schlechteren Wert als die Spvgg Osterhofen (2,29) und müsste in den sauren Apfel beißen, wenn das Alternativmodell nicht zum Zug kommt. Auf der anderen Seite erwischt es den SV Perlesreut, der aufgrund des verlorenen direkten Vergleichs mit dem SV Türkgücü Straubing (beide 0,95) auf vom Viertletzten auf einen Abstiegsplatz rutscht. Der ASV Degernbach müsste mit runter. Wird der Abstieg ausgesetzt, muss Bezirksspielleiter Richard Sedlmaier nächste Saison 36 statt 32 Bezirksligisten einteilen. Vier niederbayerische Bezirksligisten würden aufsteigen (Osterhofen, Grafenau, Eggenfelden, Dingolfing), acht Kreisligisten kommen hoch (Hebertsfelden, Simbach b.Landau, Kirchroth, Regen, Mauth, Vilshofen, Eintracht Landshut, FC Walkertshofen). Womöglich würden im nächsten Jahr nicht wie üblich zwei, sondern drei oder vier Bezirksligen entstehen, um den Vereinen nicht 34 (statt den üblichen 30) Spieltage aufs Auge zu drücken.

Bezirksliga West: Meister SSV Eggenfelden (2,32) kann die Diskussionen um Auf- und Abstieg entspannt verfolgen, weil die Rottaler einen eklatant besseren Quotienten als die Verfolger um den FC Dingolfing (2,04) haben. Die BMW-Städter dürften deshalb wie die Abstiegskandidaten SV Neufraunhofen (0,95) und TSV Velden (0,55) für eine Wertung ohne Absteiger stimmen.

− mid

Einen Überblick mit den Auswirkungen auf Kreisebene lesen Sie in den nächsten Tagen in der PNP.