300 Prozent mehr Jugend-Beitrag: 1. FC Passau in der Kritik

20.06.2015 | Stand 18.09.2023, 23:18 Uhr

Trotz guter und gefragter Nachwuchsarbeit beim 1. FC Passau derzeit in der Kritik: (v.l.) Markus Fleischmann (Jugendleiter), Alexander Wösner (1. Vorsitzender) und Jugendkoordinator Tobi Bracht. − Foto: Karl

Der Traditionsverein 1.FC Passau steht wegen der Einführung eines "Aktivenbeitrags im Jugendsport" arg in der Kritik. Demnach wird künftig für jeden der über 300 Nachwuchskicker pro Familie ein Zusatzbeitrag von 10 Euro im Monat erhoben. Der Jahresbeitrag beläuft sich so nun für junge Sportler bis 14 Jahre auf mindestens 162 Euro – eine Steigerung um gut 300 Prozent, wie Kritiker und Spielereltern mit Blick auf den bisherigen regulären und beibehaltenen Beitrag (42 Euro im Jahr) monieren.

Die Vereinsspitze und Jugendleitung rechtfertigt den Obolus mit den immensen Kosten, die fällig werden für die durchaus erfolgreiche und engagierte Nachwuchsarbeit mit den 19 Junioren-Mannschaften mit rund 50 lizenzierten Trainern und Betreuern, die jährlich rund 500 Spiele und rund 2000 Stunden Trainingseinheiten absolvieren. "Einen mittleren fünfstelligen Betrag, der allein mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden bei weitem nicht mehr zu decken ist" koste dies, wie FCP-Vorsitzender Alexander Wösner auf PNP-Nachfrage offenbarte. Zudem wolle man die Qualität eines anerkannten Nachwuchsleistungszentrums beim 1.FC Passau (eines von 17 in Bayern), das den Weg in die Talentförderung des BFV und DFB öffne, aufrechterhalten.

Die zum Wochenanfang bekanntgegebene Erhöhung machte schnell die Runde auf hiesigen Fußballplätzen und auch in politischen Kreisen, wo Kopfschütteln und Kritik vorherrscht. "Ritt auf der Rasierklinge", meint ein Stadtrat mit Blick auf mögliche Austritte verärgerter Eltern und Konsequenzen für den Breitensport Fußball. "Als Stadt kann es uns nicht egal sein, wenn sich ein Fußballverein aus seiner sozialen Verantwortung verabschiedet", sagt Grünen-Stadtrat Karl Synek, der selbst als Schatzmeister Sportfunktionär beim TV Passau ist. "Sollte sich abzeichnen, dass der FC Passau ab sofort in erster Linie ein Verein der Besserverdiener ist, so wäre es nur logisch, die Zuschüsse der Stadt in Zukunft merklich geringer ausfallen zu lassen und das Geld auf die anderen Fußballvereine zu verteilen", so Synek. "162 Euro dafür, dass ein Siebenjähriger dem Ball hinterherläuft – das zahlt keine Familie", sagte ein Spielervater am Donnerstag vor einem Treffen mit anderen Eltern von FC-Jungkickern. Auch im Kinderschutzbund Passau wurde das FC-Vorgehen diese Woche kritisiert. Dort bezuschusse man bereits alleinerziehende Mütter, die ihren Kindern das Kicken in Vereinen ermöglichen wollen, es sich aber nicht leisten können – bei bisher knapp 40 Euro Jahresbeitrag wohlgemerkt.

− ck

Mehr dazu lesen Sie in der PNP (Ausgabe Passau) vom 20. Juni
KOMMENTAR
Von Christian Karl
Fußball ist nicht nur  im Weltmeisterland Breitensport – und sollte deswegen  jedem, der  auch in Vereinsfarben dem Leder   hinterherjagen will, ohne größere Hürden zugänglich sein.  "162 Euro dafür, dass ein Siebenjähriger dem Ball hinterherläuft – das zahlt keine Familie", sagte ein Spieler-Vater  am Donnerstag vor einem Treffen mit anderen Eltern von Jungkickern des 1. FC Passau, denen der frischeingeführte "Aktivenbeitrag im Jugendsport"  aufstieß.

Um es vorwegzunehmen: Der Schreiber dieser Zeilen erlebte in seiner frühen Jugend eine erinnerungswürdig schöne Kicker-Zeit bei dem Passauer Traditionsverein, der schon damals sportliche Ambitionen und    soziale Aufgaben erfolgreich zu verbinden wusste. Auch die aktuelle engagierte  und kompetente  Nachwuchsarbeit beim FCP ist zurecht nachgefragt und geht nicht zuletzt deswegen auch ins Geld.  Allerdings gerät es zu einem "Ritt auf der Rasierklinge", wie dies auch  der Spieler-Vater bemerkte, wenn finanzielle Lücken auf der einen Seite geschlossen werden, aber andernorts Lücken aufgerissen werden, weil  verärgerte und/oder belastete Eltern  und deren Sprösslinge  nicht mehr mitspielen wollen. 

Spätestens wenn sich abzeichnet, dass nun unerwartet viele Vereinstransfers,   Kündigungen und Karrierestopps anstehen, sollte der nachwuchsengagierte Verein seinen geforderten Obolus nochmals überdenken. Es  könnte  vielleicht schon jetzt zu denken geben, dass ein hiesiger Golfclub, der "Passau" in seinem Namen trägt, Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahren für das Betreiben der  oft  als elitär geltenden Sportart nur 80 Euro pro Jahr in Rechnung stellt ...