Passau:
Leichteres Leben für Adipositas-Patienten: Gesundheitstag bringt Experten, Ärzte und Betroffene zusammen

05.05.2024 | Stand 05.05.2024, 11:00 Uhr

Beim Gesundheitstag „Adipositas“: (v.l.): Peter Weigl, Privatdozent Dr. Philipp Lamby, Dr. Josef Leebmann, Michael Wirtz und Christian Wirtz (beide AdipositasHilfe Deutschland), Dr. Klaus Gerauer, Dr. Paul Gumminger, Dr. Hardy Walle (Mandelbachtal), Dr. Charlotte Bamberger und Sabrina Maaßen. − Foto: Klinikum Passau

In Deutschland sind etwa Zweidrittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig. Bei einem Viertel der Erwachsenen ist das Übergewicht so stark ausgeprägt, dass man von Adipositas (Fettleibigkeit) spricht. „Diese Erkrankung ist unverändert auf dem Vormarsch“, sagt Chirurg Dr. Klaus Gerauer, Leitender Arzt des Adipositaszentrums am Klinikum Passau. Die Betroffenen haben in vielerlei Hinsicht ein schweres Leben, denn zum Übergewicht kommen häufig nicht nur Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes, sondern auch Vorurteile und Stigmatisierung. Den niedergelassenen Ärzten wiederum fehlt es oft an Anlaufstellen, wohin sie ihre Patienten guten Gewissens überweisen können. Um das Zusammenspiel aller Beteiligter zu verbessern, gab es am Klinikum Passau kürzlich den 1. Passauer Gesundheitstag „Adipositas“. Mehr als 100 Teilnehmer waren dabei, in erster Linie niedergelassene Ärzte und Selbsthilfegruppen.

Das Skalpell ist das letzte Mittel

Dr. Klaus Gerauer stellte die derzeit gängigen Verfahren der bariatrischen (sprich: „das Übergewicht betreffenden“) Chirurgie vor. Zu den häufigsten Eingriffen gehörten der Schlauchmagen und der Magenbypass. Am zertifizierten Kompetenzzentrum für Adipositaschirurgie des Klinikums würden gegenwärtig jährlich rund 160 solcher OPs durchgeführt, mit steigender Tendenz. Doch bis das Skalpell zum Einsatz komme, müssten alle übrigen Therapie-Möglichkeiten ausgeschöpft und viele Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehöre auch der unbedingte Wille der Betroffenen, ihren Lebensstil für immer zu ändern und dauerhaft Medikamente einzunehmen.
Weitere Mitstreiter Gerauers aus dem Adipositaszentrum durchleuchteten neue medikamentöse und konservative Therapieansätze. So ging es im Vortrag des Internisten und Diabetologen Peter Weigl unter anderem um die Wirkung der Abnehmspritze. Warum einfache Abnehmversuche so oft scheitern, erklärte der Leitende Nephrologe Dr. Josef Leebmann. Wie plastische Chirurgie bei überschüssiger Haut zum Einsatz kommt, war das Thema von Privatdozent Dr. Philipp Lamby. Wie sich Fallstricke auf dem Weg zur OP vermeiden lassen, stand im Vortrag der Ernährungswissenschaftlerinnnen Dr. Charlotte Bamberger und Sabrina Maaßen im Fokus.

Von niedergelassener Seite stellte Dr. Paul Gumminger dar, wie man sich eine ideale Zusammenarbeit zwischen Adipositaszentren und Niederlassung wünscht: Hierbei sei der direkte Draht beider Seiten entscheidend. Der Ernährungsmediziner Dr. Hardy Walle erläuterte ein leitlinienkonformes konservatives Therapiekonzept. Die Referentenriege aus den verschiedenen Fachrichtungen machte deutlich, dass eine erfolgreiche Adipositas-Behandlung nur interdisziplinär möglich ist.
Christian Wirtz, Leiter der Regionalstelle Süd-West, stellte die Arbeit der „AdipositasHilfe Deutschland“ vor, die sich mit viel Herzblut und Engagement für die Belange Betroffener einsetze und Mitveranstalter des Passauer Gesundheitstags war. Wie einschränkend ein Leben mit Adipositas ist, weiß der Vorsitzende aus eigener Erfahrung: Der 63-Jährige hatte einst sehr hohes Übergewicht, nach einer Magenverkleinerung hat er dieses mittlerweile halbiert. Nur so konnte er sich auch einer dringend notwendigen Herz-OP unterziehen, die zuvor nicht durchführbar gewesen wäre.

2025 wird Diabetes im Fokus stehen

Wirtz wünscht sich, dass die Gesellschaft Adipositas als Krankheit akzeptiert, denn das sei bisher nicht der Fall. Beim Entstehen einer Adipositas spielten häufig auch psychische Faktoren eine Rolle, so Wirtz. Diese Ursachen müssten stärker berücksichtigt werden. Zudem plädierte er dafür, schon frühzeitig mit Präventionsprogrammen für gesunde Ernährung zu beginnen, am besten in den Kindergärten. Von den Krankenkassen fordert Wirtz mehr finanzielle Unterstützung für Adipositas-Patienten, auch hinsichtlich der Dauer von Therapieleistungen.

Michael Wirtz (ebenfalls AdipositasHilfe) gab den Teilnehmern einen Ausblick auf das Desease-Management-Programm „Adipositas“, bei dem es jedoch noch sehr viel auf den Weg zu bringen gelte.
Eine Industrieausstellung in der Magistrale des Klinikums rundete diesen ersten Gesundheitstag ab. 2025 ist eine Neuauflage geplant, dann soll das Thema Diabetes verstärkt in den Fokus rücken, sagt Wirtz: „Schließlich sind viele Diabetiker übergewichtig und viele Übergewichtige bekommen Diabetes.“

− red