Hilpoltstein
Auf Pferderücken das Leid vergessen

Kontaktstelle organisiert Familienfest: Rund 100 Asylbewerber aus dem Landkreis spannen auf Reiterhof aus

10.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:34 Uhr

Attraktion vor allem für die Mädchen ist das Reiten beim Familienfest. Ein privater Spender hatte zur Auflage gemacht, dass vor allem die Kinder der Asylbewerber profitieren.

Hilpoltstein/Belmbrach (HK) Einmal für ein paar Stunden den Alltag vergessen können. Den Alltag zwischen der Angst um die Zurückgebliebenen und der Angst vor der eigenen Abschiebung. Einfach abschalten: Genau das erlebten am Sonntag rund 100 Asylbewerber auf einem Pferdehof in Belmbrach.

Ein Reiterhof in Belmbrach wurde zu einer großen „Spielwiese“. Zwischen Pferden, Eseln, Hängebauchschweinen, Hasen und Meerschweinchen tummelten sich einen Nachmittag Kinder mit Eltern und Großeltern aus rund zehn Nationen: von A wie Afghanistan über Georgien, Iran, Irak, Syrien bis hin zu T wie Tschetschenien.

Viele ehrenamtliche Helfer brachten ihre Talente ein und sorgten so für das gute Gelingen des Festes. Sie drehten Runde um Runde in der Reithalle und führten Kinder (und so einige begeisterte Eltern) auf den Pferden, sorgten für die Verpflegung oder betreuten die Kinder in der extra aufgestellten Hüpfburg des Kreisjugendrings (KJR). Die Mitarbeiter des KJR boten Kinderschmink- und Bastelstationen an, die großen Anklang fanden und permanent umlagert waren. Einige der Kinder waren so begeistert, dass sie selbst als kleine Mitarbeiter einsprangen.

Auch die Belmbracher Feuerwehr hatte sich gerne für den Einsatz der besonderen Art einspannen lassen. Da gerade die Mädchen begeistert ihre Runden hoch zu Ross zogen, kam den Jungs das Angebot zum „Zielspritzen“ gerade Recht.

In Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Betreuern der Helferkreise und Mitarbeitern der Gemeinden hatten Anne Thümmler und Sonja Winkler von „für einander“, der Kontaktstelle für bürgerschaftliches Engagement, Fahrdienste zwischen Wendelstein und Thalmässing organisiert. Die Busunternehmen Ehard aus Spalt und Rombs aus Weißenburg unterstützten die Aktion gerne und stellten ihre Busse zur Verfügung.

Und die Eltern? Sie genossen die Stunden weit weg von Angst und Not ihrer einstigen Heimat und jenseits eines gegenwärtigen Alltags, der ihnen oft auch noch wirklich fremd ist. Manche von ihnen trafen in Belmbrach auf Bekannte, die sie zum letzten Mal in Zirndorf in der Zentralen Anlaufstelle gesehen hatten. Andere freuten sich über neue Kontakte von Landsleuten, die im Landkreis nicht in der selben Gemeinde wie sie selbst untergebracht sind.

Sprachbarrieren wurden schnell überwunden. Ein bisschen Russisch hier, etwas Farsi dort, dazwischen gutes Fränkisch – und wenn gar nichts mehr ging, dann waren eben pantomimische Fertigkeiten gefragt. Lachen inklusive. Oder aber die Kinder sprangen als Dolmetscher ein. Denn viele von ihnen haben dank Kindergarten oder Schule „nebenbei“ schon so viel Deutsch gelernt, um sich mühelos in Alltagsunterhaltungen einklinken zu können.

Wenn es dann allerdings ernstere Themen zu besprechen gab, war die Anwesenheit von Daniel Wolfrum, dem neuen – mehrsprachigen – Mitarbeiter des Landratsamtes für die Asylbewerber, hilfreich. Er hatte Zeit zum Zuhören und ein offenes Ohr für die vielfältigen Anliegen.

Angefangen hatte alles mit einer großzügigen Privatspende an den Landkreis Roth. Daran geknüpft war eine Bedingung: Von dem Geld sollten in erster Linie die Kinder der Asylbewerberfamilien profitieren. Zusammen mit Landrat Herbert Eckstein entstand die Idee, ein Familienfest zu organisieren. Immerhin machen Kinder und Jugendliche rund ein Drittel der insgesamt 200 Asylbewerber, die derzeit im Landkreis in kleinen, dezentralen Unterkünften untergebracht sind, aus.

Am Sonntag setzte dann „für einander“ die Idee mit Unterstützung des Amtes für soziale Angelegenheiten in die Praxis um. Nein, wirklich Spektakuläres bekamen die Familien dabei nicht geboten. Es war „nur“ ein Sonntagnachmittag auf dem Land. Ungezwungen, fröhlich, ausgelassen, gemütlich. Für viele der Familien war das ein riesiges Geschenk.