Westafrika: Das süße Leben auf São Tomé und Príncipe

21.03.2014 | Stand 21.03.2014, 13:33 Uhr

Das Inselmotto auf São Tomé und Príncipe lautet: "Immer mit der Ruhe und alles wird gut." Beim Anblick des Bom Bom Beach glauben das die Urlauber sicherlich sofort. − Fotos: Claudius Lüder

"Ciao, come stai?" – Hallo, wie geht’s? Claudio Corallo öffnet das schwere Eisentor zu seinem Haus an der Uferstraße von São Tomé. Nur wenige Schritte entfernt plätschert der Atlantik, auf dem Hof steht ein alter Fiat Panda, und Wachhund Stella passt auf, dass niemand ungefragt die kleine Schokoladenmanufaktur betritt. Claudio Corallo kam vor fast 20 Jahren hierher und ist so etwas wie die kulinarische Visitenkarte der kleinen Inselrepublik an der Westküste Afrikas. Seine Schokolade zählt zu den besten der Welt, was nicht zuletzt an den idealen Bedingungen für Kakaopflanzen auf São Tomé und Príncipe liegt. Direkt auf Höhe des Äquators gelegen, scheint das ganze Jahr über die Sonne, die Regenzeit sorgt für ein schnelles, natürliches Wachstum.

"Eigentlich aber hatte ich mit Schokolade nie etwas am Hut, ich mochte sie noch nicht einmal", sagt Claudio Corallo. Lange Jahre war der Italiener aus Florenz auf Kaffeeplantagen in Zaire und später in Bolivien unterwegs und kam 1995 nach São Tomé und Príncipe. "Als ich damals hier die ersten Kaffeebohnen röstete, stellte ich fest, dass der Geschmack ein ganz anderer war", erzählt Claudio Corallo. Dies habe ihn auf die Idee gebracht, sich auch die Kakaopflanzen näher anzusehen. Weil er sich jedoch kaum mit Kakao auskannte, besorgte er sich weltweit Proben prämierter Kakaosorten, um vergleichen zu können. "Ich war überrascht, denn alle Sorten hatten einen bitteren Beigeschmack." Er vermutete Fehler bei der Herstellung und startete eine eigene Versuchsreihe in seinem kleinen Labor. "Ich wollte herausfinden, wie Kakao wirklich schmeckt."

Reiner Kakao ist weder bitter noch schwarz

Das Ergebnis überrascht: Bitterer Kakao, sagt Claudio Corallo, sei ein großer Irrtum. Was gemeinhin als Qualitätsmerkmal verkauft werde, sei eigentlich ein Mangel: "Reiner Kakao ist weder bitter noch schwarz." Als er dies nach vielen Experimenten mit unterschiedlichen Trocknungs- und Röstverfahren herausfand, wollte er diesen reinen Kakaogeschmack auch konservieren und stellte eine Schokolade aus 100 Prozent Kakao her. Heute gibt es zudem eine 75-prozentige mit Ingwer, eine 80-prozentige und kleine Schokoladenkugeln mit Kaffee-Stückchen.

Nur selten verlässt Claudio Corallo die beiden Inseln. Warum auch? Zwar ist das Land finanziell gesehen arm, echte Reichtümer aber bietet die Natur. São Tomé und Príncipe sind zwei unglaublich grüne Inseln vulkanischen Ursprungs mit über hundert Pflanzenarten, die nur hier wachsen. Wer Exkursionen ins Landesinnere unternimmt, findet rechts und links der Wege Mango-, Jackfrucht-, Goldpflaumen- und Brotbäume, viele verschiedene Bananensorten, Ananas, Hibiskus und immer wieder Kaffee und Kakao.

Die Mehrzahl der knapp 200000 Einwohner lebt auf der 48 Kilometer langen und 32 Kilometer breiten Hauptinsel São Tomé. Es ist ein Leben ohne Stress und Hektik, ganz getreu dem Insel-Motto "leve leve" − was so viel bedeutet wie "immer mit der Ruhe und alles wird gut". Die Männer sind meist Fischer, Farmer oder Taxifahrer, die Frauen kümmern sich um Haus und Hof und treffen sich zum Wäschewaschen am Fluss. Auf dem Markt der Hauptstadt wird von früh bis spät gehandelt, in kleinen Bistros wird für umgerechnet zwei Euro frischer Fisch mit frittierten Bananenscheiben und einer Art Pesto serviert. Dazu gibt es für 50 Cent ein Glas Saft von einer Frucht namens Sape Sape (Sabsab). Die schmeckt wie eine Mischung aus Ananas und Zitrone und ist sehr gesund, wie Carlos Horta versichert. Der 39-Jährige arbeitet bei der örtlichen Telefongesellschaft, macht gerade Mittagspause und freut sich über den Besuch aus dem fernen Deutschland in seinem Land. "Bayern München und Borussia Dortmund", sagt er lachend. Diese beiden Namen kenne hier jedes Kind. Und noch ein deutscher Name fällt ihm ein: "Angela Merkel" – die sei eine "sehr gute, starke Frau". Carlos Horta muss wieder ins Büro, das Wochenende aber wird er, wie die meisten hier, an einem Strand mit Freunden bei Musik, Fußballspielen und vielleicht etwas Zuckerrohrschnaps verbringen.

Claudio Corallo hingegen zieht es mehr zu den einsamen Plätzen auf Príncipe. Dort verzaubert die Natur mit traumhaften Stränden wie dem Banana Beach, der seinen Namen seiner bananentypischen Form verdankt und an dem auch ein TV-Spot für Bacardi entstanden ist. Keiner muss befürchten, hier im Schatten eines anderen zu sitzen, denn von den wenigen Touristen, die das Land bislang überhaupt als Reiseland entdeckt haben, machen längst nicht alle einen Abstecher auf die kleine Insel.

Ihnen entgeht ein kleines Paradies. Knapp 18 Kilometer lang ist Príncipe und 10 Kilometer breit. Die Hälfte der Fläche ist als Nationalpark ausgewiesen, tropischer Regenwald und goldgelbe Strände prägen das Inselbild. Es gibt nur ein Hotel, ein Gästehaus und mit Santo Antonio die mit 1300 Einwohnern kleinste Stadt der Welt. Die wenigen Gäste, die sich im feinen Bom Bom Resort ganz im Norden der Insel einquartieren, genießen absolute Ruhe und eine überwältigende Natur.

"Ich möchte an keinem anderen Fleck der Welt leben" sagt Joao, der auf Príncipe geboren ist und Hotelgästen auf einer Rundtour auch abgelegene Fischerdörfer oder die beeindruckende Roca Sundi zeigt, die einst von der portugiesischen Königsfamilie bewohnt wurde. Aus dem herrschaftlichen Haus soll möglicherweise ein weiteres Hotel entstehen, aber das ist Zukunftsmusik. Große Hotelburgen, versichert Joao, werde es hier aber nie geben. Príncipe bleibt eine kleine Insel für Prinz und Prinzessin – mit Schokolade am Banana Beach.

Claudius Lüder ist freier Reisejournalist aus Stade. Er hat auf eigene Faust recherchiert.

INFO

Reiseziel: São Tomé und Príncipe ist als Reiseziel sowohl für Badeurlaub als auch für Wandern geeignet. Eine besondere Herausforderung ist hierbei der über 2000 Meter hohe Pico São Tomé, der mit seiner spitzen Form weithin sichtbar ist. Die Inselrepublik bietet Naturliebhabern einen schier unerschöpflichen Fundus an unbekannten Pflanzen und Tieren. Wassersportler finden rund um die Insel n Möglichkeiten für Tauchgänge. Spekuliert wird immer wieder über mögliche Ölvorkommen rund um die Inseln, die dem Staat viel Geld einbringen könnten. Auch der Bau eines Tiefwasserhafens wird diskutiert. Offiziellen Angaben zufolge jedoch wird es noch mindestens zwei Jahre dauern, bis sich diese Pläne konkretisieren.

Anreisen: Mit TAP von München über Lissabon nach São Tomé ab 850 Euro, www.flytap.com. Inlandsflug São Tomé−Príncipe mit STP Airways ab 130 Euro, www.stpairways.st.

Einreisen: Für die Einreise ist ein Visum erforderlich, Kosten ab 35 Euro. Zu beantragen über die Botschaft von São Tomé und Príncipe in Brüssel, 0032/2/7348966. E-Mail: ambassade@SãotomeePríncipe.be.

Reisezeit: São Tomé und Príncipe bieten ganzjährig Temperaturen zwischen 22 und 30 Grad. Das Klima ist tropisch mit einer hohen Luftfeuchtigkeit zwischen 70 und 80 Prozent. Zwischen Juni und Oktober ist die trockene Jahreszeit. Ab November kann es immer wieder zu starken Regenfällen kommen. Insgesamt ist das Klima durch den frischen Wind vom Atlantik sehr angenehmen.

Übernachten: São Tomé: Omali Lodge, stadtnahes Boutique-Hotel direkt am Stadtstrand von São Tomé, großzügige Zimmer, gute Küche, Einzelzimmer ab 135 Euro inklusive Frühstück, www.omalilodge.com. Príncipe: Bom Bom Island Resort, Luxus-Resort mit 20 Bungalows, Einzelzimmer inklusive Halbpension ab 180 Euro, www.bombomprincipe.com.

Essen und Trinken: Einfache, lokale Küche: Snackbar "Mundjá Ue", Rua Viriato da Cruz, São Tomé, Banana-Fisch mit Salat für 2 Euro, frischer Sape-Sape-Saft für 50 Cent. Gehobene, lokale Küche: Roca São Joao in São Joao Dos Angolares, Restaurant von Küchenchef Joao Carlos Silva, der als Sternekoch eine eigene Kochshow-TV im portugiesischen Fernsehen hat; ein Menü mit mehreren Gängen kostet 15 Euro, die Flasche Wein ab 10 Euro, http://rocasjoao.com

Ausflugstipps: Schokoladenmanufaktur Claudio Corallo, Avenia Marginal 12 de Julho Nr. 978, São Tomé, jeden Donnerstagnachmittag Führung, www.claudiocorallo.com; Roca Monte Cafe, Kaffeeplantage und Kaffeemuseum im Landesinnern, westlich von São Tomé, das Museum informiert über die Herstellung und die Historie der Plantage während der Besatzerzeit, Touren können über die Hotels organisiert werden; Roca Sundi, Plantagenhaus aus der Kolonialzeit, in dem früher auch die portugiesische Königsfamilie wohnte; Praia Banana – Banana Beach, wunderschöner, einsam gelegener Strand im Norden der Insel, erreichbar auf dem Wasserweg vom Bom Bom Island Resort in rund zehn Minuten, auf dem Landweg nach Belo Monte und dann zu Fuß zum Strand hinunter.

Auskunft: offizielle Homepage unter www.saotome.st.