Hallstatt: Wenn die Chinesen Österreich kopieren

10.02.2017 | Stand 20.09.2023, 2:08 Uhr

Wie Schwalbennester krallen sich die Häuser in Hallstatt in die Steilwand. Die einzigartige Lage am See hat die Gemeinde zum Weltkulturerbe gemacht. − Foto: Stella Klink/MK Salzburg

Sogar im Winter sind sie da − die Chinesen. Mit ihren Fotokameras und Smartphones, mit denen sie schon damals jedes Detail abgelichtet haben: Türgriffe, Fenstersimse, Fassaden, Inneneinrichtung. Um daheim alles exakt nachbauen zu können: 2012 wurde in der Provinz Guangdong die Kopie von Hallstatt im österreichischen Salzkammergut eröffnet. Der See dort ist künstlich angelegt, und Berge gibt’s auch nicht. Der seitenverkehrt gebaute Dorf-Klon in der 800000-Einwohner-Stadt Boluo ist als Luxusviertel konzipiert: Das Investorenprojekt soll wohlhabende Landsleute anlocken.

Davon profitiert allerdings mehr das Original. Wer zwischen Frühjahr und Sommer in Hallstatt Urlaub macht, muss glauben, er ist im "Reich der Mitte" gelandet: von jährlich bis zu 800000 Tagesgästen ist die Rede, sämtliche Unterkünfte sind bereits ausgebucht. Das überwältigende Panorama wollen alle in echt erleben. Trotz oder gerade wegen des etwas beengten Lebensgefühls.

Die schmale Uferpromenade mit ihren Souvenirshops, Cafés und Restaurants ist die einzige Ortsstraße, auf der Lieferfahrzeuge fahren dürfen. Dahinter führt der Weg nur über Treppen weiter: Eingezwängt zwischen See und einer Hunderte Meter hohen Steilwand krallen sich Kirche, Wohn- und Geschäftshäuser in die Felsen wie Schwalbennester. Vielleicht kommen die Chinesen deshalb so gerne in die 8000-Seelen-Gemeinde. Weil die Anwohner ihre Haustüren arglos offen halten, hat schon so mancher gestaunt, dass ein Asiat auf seinem Klo sitzt, während der Rest der Touristen-Familie im Wohnzimmer Selfies macht. Für sie ist ganz Hallstatt offenbar wie ein großes Freilichtmuseum.

Vielleicht kommen sie aber auch wegen "shui" (Wasser), "shan" (Berg) oder "hai" (See). Oder wegen des Grusels im Beinhaus mit seinen verzierten Totenschädeln und aufgeschichteten Oberschenkelknochen: Für einen größeren Friedhof wurde es hier bald zu eng. Auch der Bahnhof liegt am Seeufer gegenüber, ein Fährschiff bringt Gäste nach Hallstatt.

Ein Ort, berühmt für Beinhaus und SalzWeltberühmt wurde Hallstatt, als Mitte des 19. Jahrhunderts ein großes Gräberfeld mit ebenso spektakulären wie wertvollen Beigaben entdeckt wurde. Salz war schon damals und ist immer noch der Rohstoff, der die regionale Wirtschaft prägt. Bis heute wird das "weiße Gold" im "ältesten Salzbergwerk der Welt" oberhalb von Hallstatt abgebaut.

Weiß ist auch der Schnee, und wer Skifahren will, muss nur ein kleines Stück weiter, wo sich der Blick auf das einladende Panorama des Dachstein West richtet. In der Skiregion sind knapp 120 Kilometer Pisten präpariert, Marcel Hirscher, der fünffache Ski-Weltcupsieger, ist hier zu Hause. Die Orte Gosau, Russbach und Annaberg setzen mehr auf gemütlichen Familienurlaub als auf Alpen-Halligalli. Zur besseren Koordination, Organisation, Kooperation und Vermarktung haben sich 70 Betriebe zu einer "Ski-Alpin-Allianz" zusammengeschlossen.

Die Zwieselalm ist mit 1620 Metern der höchste Berg des Skigebiets, das über 53 Liftanlagen erschlossen wird. 45 Kilometer am Stück: Das ist auf einer neu ausgewiesenen Skirunde "Panoronda" möglich. 82 Prozent der Abfahrten sind als mittelschwer (rot) einzustufen. Dazu gibt es Gaudipisten mit sanften Wellenbahnen oder extremen Buckeln, Funparks für Snowboarder, Cross-Strecken und Pisten mit Zeitmessung.

Kinder und Familien nehmen in der Konzeption eine tragende Rolle ein. Während Mama und Papa Skilaufen gehen, sind die Kleinen im "Brumsiland" in Gosau, im "Bärencamp" in Russbach oder in "Fuxi’s Kinderland" in Annaberg bestens aufgehoben. Bei der Abfahrt kommen sie spielerisch meist von selbst auf den Dreh im Schnee. In Gosau sind auch "Tubing", Ponyreiten und Akia-Fahren möglich, in Russbach und Annaberg werden schon Kinder ab einem Jahr betreut.

Kinder treffen auf Esel und ZiegenEinen solchen Rundum-Service bietet auch das erst im Dezember eröffnete Kinderhotel "Dachsteinkönig" seinen Gästen. 40 Millionen Euro hat Hotelier Florian Mayr in das Vier-Sterne-Superior-Haus investiert. In einer Ecke des Cafés grasen eine Ziege und zwei lebende Esel. Das hat natürlich seinen Preis, aber für die Region ist der "Dachsteinkönig" ein echter Gewinn, freuen sich Barbara Kronreif und Alfred Bruckschlögl, die Geschäftsführer des Tourismusverbandes. Ihnen ist wichtig, dass das Skifahren am Dachstein West eine bezahlbare Sportart bleibt. Und wenn das Wetter einmal nicht so gut sein sollte, kann man sich von Manfred Irendorfer, dem Obmann des Heimatvereins, im Holzknechtmuseum in Bad Goisern Geschichten über das harte Leben der Holzhauer erzählen lassen oder in Hallstatt vorbei schauen – bei den Chinesen.

INFORMATIONEN: Das Salzkammergut ist ein landschaftlich und historisch geprägter Kulturraum in Österreich, am Nordrand der Alpen.

ANREISEN

Aus Richtung München über die A8 bis Salzburg und weiter auf der A10 bis Ausfahrt Golling; Lammertalstraße (B162) und B166 bis Gosau und Hallstatt. Mautfrei über Braunau, Mond- und Wolfgangsee nach Bad Ischl und weiter nach Gosau.

ÜBERNACHTEN

Kinderhotel Dachsteinkönig in Gosau Hotel Gutjahr in Abtenau

Alpendorf Dachstein West in Annaberg

Landhaus Koller in Gosau

SKIFAHREN

Skipass (für sieben Regionen): Tagesticket für Erwachsene 42,40 Euro, Jugendliche 26,70 Euro, Kinder 18 Euro, Senioren 39,50 Euro. Angebot: Eine Woche Skiurlaub inkl. sechs Tage Skipass ab 499 Euro pro Person.

AUSFLÜGE/EVENTS

Weltkulturerbe Hallstatt mit Kirche und Beinhaus

Holzknechtmuseum in Bad Goisern.

Am 26. Februar: Kinderschneefest im "Brumsiland" in Gosau.

10. bis 19. März: Gaudiwoche mit Kulinarik und Unterhaltung.

www.dachsteinwest.at

www.hallstatt.net

www.salzkammergut.at

PNP-Redakteur Sepp Schiller reiste auf Einladung der Tourismusregion Dachstein West.