Kroatien: Königlich, kaiserlich, postsozialistisch

12.08.2016 | Stand 12.08.2016, 16:00 Uhr

Das Kvarner Palace prägt die Strandpromenade des kroatischen Badeorts Crikvenica. Auf der Terrasse des ehemaligen K.-u.-k.-Grand-Hotels weht bis heute die österreichische Flagge. − Fotos: Kammermeier

Margita seufzt. "Leider können wir den Besitzer nicht enteignen", sagt sie zu ihrer Besuchergruppe und deutet auf eine Ruine, die an der Strandpromenade von Crikvenica steht. Die Touristenführerin ist eine ältere Dame mit grauen Haaren, trägt eine Sonnenbrille und lächelt oft. Auch jetzt, als sie auf die Ruine des Miramare zeigt. Einst sei es ein elegantes Grand Hotel gewesen. Jetzt ist das Miramare ein vierstöckiges Gerippe, direkt an der Strandpromenade von Crikvenica. Auf der anderen Seite der Straße sonnen sich Touristen am Sandstrand, knorrige Bäume spenden vereinzelt Schatten.

Vom Miramare stehen nur noch Wände, einige Säulen und Bögen − es gibt keine Fenster, keine Decken mehr. Eine Ruine inmitten von kleinen Pensionen, Läden und Wohnhäusern. Ein Investor habe das Miramare vor einigen Jahren erworben, erzählt Margita. "Seitdem tut sich nichts mehr." Dabei investiere der Ort gerade verstärkt.

Als Badeort hat Crikvenica Tradition. 1895, als Kroatien noch zur Habsburg-Monarchie gehörte, begann Erzherzog Joseph aus einem Streit heraus den Ausbau des Ortes zum Seebad. In der Bucht gegenüber der Insel Krk ließ er sich ein imposantes Grand Hotel im Stil der Belle Epoque bauen, mit palastähnlicher Fassade voller Rundbögen und Balkone. Der Grund: Erzherzog Joseph wollte nicht mehr gemeinsam mit der Verwandtschaft in den Sommerurlaub fahren. 1905 öffnete das Miramare − Crikvenica wurde zum Hot Spot, geprägt von zwei Grand Hotels im Stil der Jahrhundertwende.

"Von Kämpfen im Jugoslawienkrieg sind wir hier verschont geblieben", erzählt Margita vor dem Miramare. Crikvenica habe aber viele Flüchtlinge aus anderen Teilen Jugoslawiens beherbergt. Der Tourismus, schon damals die Haupteinnahmequelle des Ortes, sei versiegt. "Vor dem Krieg kamen im Winter viele russische Touristen hierher. Die sind auch bei zwölf Grad zum Baden ins Meer gegangen", erzählt Margita. Doch nach dem Krieg in den 1990ern blieben sie fern. Heute kämen dafür im Hochsommer viele Italiener, die nicht an den eigenen übervollen Stränden liegen wollten.

"Einige Orte an Kroatiens Küste haben direkt nach dem Krieg wieder angefangen zu investieren, um Touristen zu bekommen", sagt Margita. "Crikvenica hat das" − sie zögert kurz − "eher verschlafen."

Sucht man im Internet nach Zeugnissen aus der Glanzzeit des Miramare, findet man alte Postkarten, geschrieben in den 1920er Jahren, von deutschen oder tschechoslowakischen Familien, die Freunden in der Heimat von Pracht und Wetter berichten. Auf den Motiven dominiert das Miramare die Silhouette des Badeortes; Bäume und Strandpromenade scheinen sich zu ducken vor seiner vierstöckigen Fassade mit den Markisen und Säulen.

Neben den Motiven aus den 1920ern findet man auch futuristisch anmutende Grafiken – das Miramare strahlt darauf hell erleuchtet in die Nacht, ein moderner Glas-Betonbau dient als Eingang. Es sind die Träume von Investoren und Architektenbüros, dem alten Grand Hotel neues Leben einzuhauchen. Träume, die im Strudel der Insolvenz der Hypo Alpe Adria untergingen. Die Skandalbank hatte den Investor finanziert, der das Miramare erworben hatte. 2009 wurde die Bank aber von Österreich verstaatlicht, später zerschlagen und die übrigen Restbestände in Bad Banks ausgelagert. Laut der Baufirma LSG Buildings Solutions, die zwischenzeitig mit den Installationen im Miramare beauftragt war, sei der Investor auch in die Insolvenz gerutscht. Die Firmen, die das Gebäude renovieren sollten, seien abgesprungen. Seitdem suche der Masseverwalter wohl nach einem Käufer für das alte Grand Hotel.

Keinen Kilometer vom Miramare entfernt thront das frisch renovierte Kvarner Palace, das frühere Grand Hotel Erzherzog Josephs, am Hang über dem Meer. Auf seiner Terrasse plätschert ein Springbrunnen. Die Fassade des Kvarner Palace ist dem Meer zugewandt, die vielen Balkone werden von Dutzenden Rundbögen mit Säulen umspannt. Das Grand Hotel wirkt wie ein Relikt aus der Habsburger K.-u.-k.-Monarchie − eine österreichische Exklave am Strand der Adria. Die österreichische Fahne weht neben der kroatischen in der salzigen Luft, das Personal spricht fließend Deutsch, zu Essen gibt es auch mal frische Marillenknödel.

In den zwei Weltkriegen diente das Kvarner Palace als Lazarett. Im sozialistischen Jugoslawien hieß das Grand Hotel anfangs noch Palace Hotel Therapia. 1946 näherte man sich der damals stalinistischen Sowjetunion an − aus Therapia wurde Hotel Moskva. Vier Jahre später entfernten sich Sowjetunion und Jugoslawien wieder – aus Moskva wurde Terapia. In den sozialistischen Jahren verschwanden Teile der alten Pracht, wie beispielsweise der Ballsaal.

In der hohen Empfangshalle des Grand Hotels steht Dr. Wilfried Holleis, der Hoteleigentümer. 2014 habe er das Hotel nach umfassender Renovierung neu eröffnet, erzählt der österreichische Investor seinen Gästen. Von der Decke hängen goldene Kronleuchter, einzelne Raumteile werden durch gestützte Rundbögen abgetrennt. "Bei der Renovierung haben wir uns viel Mühe gegeben, den Charakter des Hauses wieder herauszuarbeiten", sagt Holleis. Was im Laufe der Zeit unter Anstrichen, Verschalungen und Tapeten verschwand, habe man wieder hervorgebracht. "Es gab viel zu tun", sagt Holleis, dem beim Erwerb sein kaiserlich-königliches österreichisches Herz blutete. Denn 2006 wurde das Hotel zwar vom Vorbesitzer, einem kroatischen Fußballspieler, generalsaniert. Dies sei aber mit wenig Liebe zum Detail geschehen und habe nicht zum Jugendstil-Flair des Hauses gepasst.

INFORMATIONEN

Crikvenica liegt in der Kvarner Bucht an der kroatischen Adriaküste und zählt etwa 11000 Einwohner.

ANREISEN

Die Anreise dauert mit dem Auto oder per Direktflug von München nach Rijeka etwa gleich lang. Über Graz und Zagreb erreicht man in sechs bis sieben Stunden Crikvenica.

ÜBERNACHTEN

Mondän im Vier-Sterne-Grand-Hotel Kvarner Palace. Infos unter www.kvarnerpalace.info

AUSFLÜGE

Die Plitvicer Seen mit ihren 92 Wasserfällen und vielen Teichen dienten als Kulisse für die Winnetou-Filme. Anreise von Crikvenica etwa 2,5 Stunden. Ein Abstecher auf die nahe Insel Krk sollte drin sein. Mit der Fähre erreicht man beispielsweise in etwa 30 Minuten das Städtchen Vrbnik, das malerisch über der Küste thront und laut Guinness-Buch der Rekorde die engste Gasse der Welt hat.

www.rivieracrikvenica.com

Florian Kammermeier ist Stipendiat der Passauer Neuen Presse und reiste auf Einladung des Kvarner Palace nach Crikvenica.